Mörderische Weihnachten
immer befürchtet hatte. Zehn Jahre hatte sein Vater gesessen. Zehn lange Jahre hatte er sich zudem überlegen können, was er tun würde, wenn er rauskam.
»Bist du noch dran, Junge?«
»Sicher.« Martin schluckte. »Von wo aus rufst du an?«
»Ich bin in London!«
Martin verzog das Gesicht. Er hätte es sich denken können. Klar, London war das große Auffangbecken für gestrandete Existenzen. In London konnte jeder untertauchen, wenn er es wollte. Auch ein Ausbrecher!
»Was hast du vor, Frank?« fragte Martin. Das Wort Vater bekam er nicht über die Lippen.
»Wir werden uns doch sicherlich sehen, oder nicht?«
Martin Adamic preßte die Lippen hart zusammen. Das hatte er sich gedacht, aber verdammt noch mal, er wollte seinen Vater nicht sehen und sagte dies ihm auch. »Nein, ich will nicht. Ich will dich nicht mehr sehen, Frank. Hast du verstanden? Wenn du zu mir kommst, verständige ich sofort die Polizei.«
Der Killer lachte ihn aus. Ja, er lachte ihn einfach aus. »Die Polizei willst du rufen?«
»So ist es.«
»Das wirst du nicht können, Martin. Vergiß nicht, daß wir einen gemeinsamen Freund haben, dem du versprochen worden bist. Er ist stark, er ist ungewöhnlich mächtig. Er hat nicht nur dich in der Hand, auch mich. Er wird uns beide ein wahrer Freund sein und uns auch beschützen, wenn wir uns von ihm beschützen lassen wollen. Hast du gehört?«
»Sicher.«
»Dann reiß dich zusammen. Stell dich nicht gegen mich. Du wirst es nicht können.«
Martin schwitzte. Er atmete schnell und heftig, aber er wußte nicht, was er seinem leiblichen Vater noch erwidern sollte. Dafür sprach der.
»Weihnachten, Martin, bald ist Weihnachten. Hör jetzt genau zu. Weihnachten.« Adamic buchstabierte das Wort sehr langsam und fast mit Genuß.
»Ich weiß es.«
»Es dauert nicht mehr lange, mein Sohn. Nur noch eine Woche bis zum Fest. Und ich bin in der Stadt. Weißt du, Martin, was das bedeutet?«
»Nein.«
»Mörderische Weihnachten!« erklärte der Killer laut lachend, so daß es im Kopf des jungen Mannes widerhallte. Martin konnte den Hörer nicht mehr halten. Er rutschte ihm aus der Hand und fiel auf den Apparat. Martin preßte beide Hände gegen sein Gesicht.
Sein Vater hatte nicht gelogen. Erwar wieder da. Und er würde das Weihnachtsfest in einen Taumel des Schreckens verwandeln…
{c}Die Abrechnung{/c}
Ich sah noch Sukos grinsendes Gesicht vor mir, als ich mich an diesem Mittag verabschiedete. »Dann kauf mal schön, John«, hatte er gesagt.
»Und du?«
»Wem soll ich etwas schenken? Wenn ich tatsächlich was brauche, bestelle ich es aus einem Katalog.«
»Das ist einfach.«
»Und bequem!«
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir ist der vorweihnachtliche Rummel einfach zuwider. Nicht die Zeit selbst, sondern das, was die Menschen aus ihr gemacht haben.
In keiner Zeit des Jahres gibt es soviel Hetze wie in den Wochen vor dem Fest. Jeder will da etwas kaufen, jeder rennt, flucht, ist nervös, die Herzbeschwerden steigen, die Infarktgefahr ist groß. Chaos. Überfüllte Läden und Kaufhäuser. Gestreßte Verkäuferinnen, dazwischen die weihnachtliche Musik, die Reklame, die künstlichen Tannenbäume aus Lichterketten, die Girlanden, die kitschigen Rauschgoldengel, die Weihnachtsmärkte, wo nicht nur Dinge verkauft wurden, die etwas mit dem Fest zu tun hatten, sondern auch Pizzen, Hamburger, Hot dogs und einiges mehr.
Und zwischen den hastenden Menschen liefen die herum, die Weihnachten symbolisieren sollten. Die Weihnachtsmänner. In den letzten Jahren war ihre Anzahl sprunghaft gestiegen. Sie standen an den Eingängen der großen Kaufhäuser und »verteilten« an Kinder Geschenke, die die Eltern vorher bezahlt hatten.
In den Paketen befand sich meist billiges Zeug, das man einige Yards weiter in den Kaufhäusern preiswerter erstehen konnte. Aber da wurde man nicht von einem Weihnachtsmann bedient.
Ich hatte mir natürlich auch meine Gedanken gemacht und überlegt, wem ich etwas kaufen mußte oder wollte.
Glenda natürlich, auch für Suko wollte ich eine Kleinigkeit besorgen, dann die Horror-Oma, meinem Patenkind Johnny, das kaufte aber Sheila und schickte es mir zu, und Jane Collins, die mittlerweile wieder in London bei Sarah Goldwyn lebte.
Es war eine ganze Latte, die ich zu erstehen hatte. Ob ich da mit einem Nachmittag auskam, war fraglich.
So schlich ich also durch London, dachte an keine Dämonen, sondern nur an die Geschenke.
In einem Laden, der alles mögliche in seinen
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