Mörderischer Blues
Was
hatten Sie sich davon versprochen, Boyd? Hatten Sie geglaubt, seine Ganoven
würden mich umbringen, bevor ich mich an Ihnen vergreifen kann?« Er lachte
höhnisch. »Aber das hat nicht geklappt. Und jetzt sind Sie dran, um
auseinandergenommen zu werden, Partner!«
Ich trat mit meinem rechten Fuß
zu, so daß die Schuhspitze auf der Kniescheibe landete. Die Kniescheibe gab
nach, und er fiel auf das heil gebliebene Knie. So war er mir bedeutend lieber,
schon deshalb, weil ich mir nicht mehr das Genick zu verrenken brauchte, um ihm
in die Augen zu sehen.
Ich beschränkte mich freilich
nicht darauf, ihm in die Augen zu sehen, sondern tat noch etwas mehr. Ich
drosch ihm meine geballte Rechte ins Gesicht und legte mein ganzes Gewicht in
diesen Schlag. Es war ein ausgesprochener Sonntagstreffer. Swain kippte langsam
hintenüber und machte es sich auf dem Fußboden bequem.
»Fein«, sagte April erfreut.
»Warum haben Sie das nicht schon heute nachmittag gemacht?«
» Heute
nachmittag war er gesund«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Mein Held«, säuselte sie.
»Vielleicht sollten wir jetzt
nach Hause gehen«, murmelte ich. »Es ist schon halb elf Uhr. Wie schnell doch
der Abend vergangen ist.«
Behutsam stiegen wir über den
schlafenden Muskelmann hinweg und verließen die Kabine. Als ich mich unter der
Tür noch einmal umblickte, sah ich, wie Muscat lächelnd zur Trompete griff.
Wenig später erklang der alte
Song »O didn’t he ramble «
durch die Nacht.
7
Wir erreichten Aprils Kabine,
indem wir uns gegenseitig stützten. Ich schob sie durch die Tür und fummelte an
der Wand herum, bis ich endlich den Lichtschalter erwischte.
»Ich kann Ihnen nicht mal einen
Drink anbieten, lieber Junge«, erzählte sie mir und schaute sich um. »Kein
einziger Tropfen im Haus.« Plötzlich brach sie in Tränen aus. »Ist das nicht
furchtbar?«
»Das macht nichts, April —
Honey«, sagte ich. »Ich möchte nichts trinken.«
»Es kümmert mich einen Dreck,
was Sie wollen oder nicht«, schluchzte sie. »Weil ich nichts für Sie zu trinken
habe.« Sie heulte lauter. »Das ist ungerecht!«
Ich hatte den Eindruck, daß es
an der Zeit war, etwas zu unternehmen.
»Warten Sie hier, Honey«, bat
ich. »Ich werde gehen und eine Flasche besorgen. Sofort komme ich wieder. Wie
gefällt Ihnen das?«
»Mein Held«, verkündete sie
pathetisch, und sofort hörte sie auf zu weinen.
Ich taumelte hinaus in die
Nacht und zurück zu Muscat Mullins Kabine. Als ich die Tür aufstieß und
hineintorkelte, sah ich, daß Mike Swain noch immer bewußtlos am Boden lag. Der
Trompeter kniete neben ihm und sah sehr nachdenklich aus.
»Was, zum Teufel, wollen Sie?«
Er schaute auf und blickte mich so durchdringend an, daß ich mir wie ein
Angeklagter vorkam, obwohl ich mich nicht entsann, eine Anklageschrift von
jemand bekommen zu haben.
»Etwas zu trinken«, sagte ich
einfach. »Alter Junge, Freund, wie wäre es mit einem Viertelliter?«
»Okay«, knurrte er widerwillig.
»Nehmen Sie’s und verschwinden Sie.«
Ich ging zum Tisch, bediente
mich und trat unsicher zur Tür.
»Danke, alter Junge«, sagte
ich. »Ich werde Ihnen das nie vergessen, denke ich.«
»He!« rief er mich zurück.
»Warten Sie eine Minute.«
»Was ist es, Alter!« fragte ich
und wandte mich um.
»Was ist mit ihm?« fragte er
verächtlich und deutete auf Swain.
Ich blickte hinab auf den
schlafenden Berg und sagte dann: »Ich brauche ihn nicht. Sie können ihn
behalten!«
»Ich bin verdammt sicher, daß
auch ich ihn nicht will«, knurrte Muscat. »Sie haben den Burschen
zusammengeschlagen, deshalb müssen Sie ihn auch wegschaffen.«
»Wenn Sie darauf bestehen?« Ich
seufzte tief. »Von einem alten Freund hätte ich was anderes erwartet. Wirklich,
Sie haben mich zutiefst verletzt, Alter.«
»Und wie ich darauf bestehe«,
sagte er mit belegter Stimme. »Was, zum Teufel, glauben Sie, wo wir hier sind?
Im St. James Hospital?«
Ich steckte die viertelvolle
Flasche in meine Hosentasche und beugte mich vor, um Swain an den Fußgelenken
zu packen. Dabei drückte sich mir der Flaschenhals in die Rippen, und ich
fragte mich, warum die Japaner Harakiri begehen, wenn sie Selbstmord verüben.
Mit einer Bewegung meines Oberkörpers lenkte ich den Flaschenhals seitwärts an
meinen Rippen vorbei, verstärkte meinen Griff am Fuß des Berges und zog den
Koloß zur Tür hinaus an die frische Luft.
Muscat warf die Tür hinter mir
ins Schloß, kaum daß Swains Kopf
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