Mörderischer Blues
erwiderte der Kultivierte in
bedauerndem Tonfall. »Der Club war für mich gepfändet, und gestern habe ich
vollstrecken lassen. Leider schuldet mir Mr. Woolrich immer noch Geld, und zwar
sehr viel Geld.«
»Wer sind Sie?« fragte Ellen
flüsternd.
»Mein Name ist Bailey, Greg Bailey. Ich...«
»Du bist nicht der einzige, der
Geld von ihm zu kriegen hat«, unterbrach ihn Fleischklops gekränkt. »Der Boß
hat auch schon einen ganzen Haufen von ihm zu kriegen; benimmt sich am
Spieltisch, als gehöre ihm das Kasino, und verschwindet dann in einer
Staubwolke mit zwanzigtausend Dollar Schulden! Deshalb bin ich und Fingers
hierher gekommen, um zu kassieren!«
»Zu schade«, meinte Bailey
freundlich. »Aber ich fürchte, eure Chancen sind nicht besser als die meinen.
Um es geradeheraus zu sagen: Edward Woolrich ist zahlungsunfähig!«
»Du meinst, er hätte den Kies
nicht?« fragte Fleischklops erschrocken.
»Nein, nullkommanichts «,
erklärte Bailey. »Er hat nichts weiter als Schulden, in diesem Augenblick
schätzungsweise an die zweihunderttausend Dollar. Sagen Sie Ihrem Boß, daß er von
Woolrich nicht einmal zwanzig Cent kassieren kann — solange er am Leben ist.«
»Was meinst du damit?« fragte
Fingers in seiner schrillen Kinderstimme und reckte sich auf die Zehenspitzen,
um Bailey wenigstens bis zur Brust zu reichen.
»Er ist gut versichert«,
antwortete Bailey. »Tot ist er ein bißchen mehr als eine Viertelmillion wert.«
Ein resignierendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Aber natürlich ist
Edward bei ausgezeichneter Gesundheit, deshalb ist es pure Zeitverschwendung,
wenn wir glauben, wir hätten eine Chance, unser Geld von ihm zu kriegen.«
»Gesundheit«, meinte Fleischklops
verächtlich. »Das ist etwas, das einem verdammt leicht verlorengehen kann.« Er
schnappte mit den Fingern.
»Mitten in der Blüte unserer
Jahre können wir wie die Fliegen sterben!« verkündete Fingers Malloy in feierlichem Sopran. »Fleischklops, ich denke, wir
führen sofort ein Ferngespräch mit dem Boß.«
»Wer ist euer Boß?« fragte ich.
»Der Boß ist Lou Baron«, sagte Fleischklops
respektvoll, und ich hatte den Eindruck, daß er den Hut abgenommen haben würde,
hätte er einen getragen, bevor er den Namen des Boß erwähnte. »Hast du schon
von ihm gehört, he?«
Der Name brachte irgendwo in
meinem Schädel eine Klingel zum Läuten.
»Nevada?« fragte ich
probeweise.
»Vegas!« antwortete Fleischklops
geringschätzig. »Ich habe noch nie von einer Stadt gehört, die Nevada heißt!«
»Lou ist der Ansicht, daß wenn
ein Kunde gewinnt, das Casino zu bezahlen hat«, erklärte Fingers. »Deshalb
meint er, daß wenn ein Kunde verliert, auch er zu bezahlen hat. Und wenn er das
nicht tut, dann ist das schlecht fürs Geschäft, und wenn er damit durchkommt,
dann ist das noch schlechter!«
»Baron, das hört sich gar nicht
sehr gut an, für Edwards Gesundheit, oder?« Bailey lächelte breit.
»Wir haben noch genug Zeit, den
Boß anzurufen«, entschied Fleischklops. »Laß uns erst noch einen trinken,
Fingers. Das ist ein verdammt guter Stoff!«
Muscat hob seine Trompete und
begann eine langsame, geradezu quälende Version von » Beale Street Blues« zu spielen. Ellen Fitzroy schaute
gedankenverloren ins Nichts, und Fleischklops und Fingers waren damit
beschäftigt, sich Drinks zu machen, jeder zwei auf einmal, für den Fall, daß es
ein harter Winter wird.
Ich zündete mir eine Zigarette
an und fühlte einen leichten Druck an meinem Arm.
»Ich möchte Sie nicht stören,
Mr. Boyd«, sagte April Showers leise. »Aber haben Sie
es denn schon aufgegeben, nach Gloria zu suchen?«
»Sonst geht es Ihnen wohl gut,
was?« entgegnete ich kalt. »Was glauben Sie wohl, auf wen ich hier warte?«
»Das ist es ja, was ich mich frage«,
antwortete sie ruhig. »Wenn Edward Woolrich der Zweite pleite ist, wie dieser
Mr. Bailey gesagt hat, dann glaube ich nicht, daß er sich hier länger als nötig
aufhalten wird. Ich schätze, daß er das erste Flugzeug oder einen Bus nehmen
und von hier verschwinden wird, so schnell er kann.« Sie lächelte. »Und nun
raten Sie mal, wen er mitnehmen wird auf die lange Reise, um Gesellschaft zu
haben?«
»Gloria!« ächzte ich.
»Wenn Sie sich beeilen, Mr.
Boyd«, schlug sie vor, »dann kommen Sie vielleicht noch zurecht, um ihnen
Lebewohl zu winken!«
3
Ich lief über die Gangway
zurück auf das feste Land, als hätte ich gerade sechs Monate auf einem
Windjammer
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