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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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nahm ihr Gesicht in die Hände. »Was ist
los, Kleines? Nimmt dich die Geschichte so mit?«
    »Nimmt sie dich mit?«
    Er beugte sich vor und küßte sie auf die Stirn.
»Kein Grund zur Sorge. Ich bin erwachsen. Ich kann damit umgehen.« Er stand auf
und machte ein paar Stepschritte, so gut es auf dem genoppten Teppich ging,
breitete die Arme aus und sagte: »Danke dir.«
    »Walt hat deine Uhr auf der Herrentoilette
gefunden. Sam umklammerte sie mit der Hand.«
    Er starrte sie an. »Hoppla.«
    »Ist sie dir möglicherweise heruntergefallen?«
    »Nein.« Beunruhigt runzelte er die Stirn. »Sie
brauchte eine neue Batterie. Ich bat...«
    »Wen?«
    Er antwortete nicht.
    »Mach schon, Carlos. Du mußt es mir sagen.
Deckst du jemanden?«
    Er setzte sich aufs Bett und rieb mit dem
Zeigefinger an seinen Zähnen.
    »Carlos! Wem hast du sie gegeben?«
    »Ich habe sie Smitty gegeben.«

  Es
hatte aufgehört zu schneien. Der Public Garden, das Ritz und die
Newbury Street sahen aus wie ein Druck von Charles Aubry. Boston unter einer
Schneedecke hatte eine Ausstrahlung, die einen ins 19. Jahrhundert versetzte.
    Carlos und Wetzon plauderten im Taxi, eifrig
darauf bedacht, das Thema Smitty zu meiden.
    Am Colonial standen die Leute schon vor
der Tür und auf dem Bürgersteig Schlange. Ein Übertragungswagen war im
Parkverbot vor dem Theater geparkt. Zwei Reporter interviewten Leute in der
Kartenschlange. Ein Fotograf machte Aufnahmen mit dem Blitzlicht. Als ihr Taxi
abbremste, lief eine Frau mit einer Kamera auf sie zu.
    »Fahren Sie zur Gasse herum«, wies Carlos den
Fahrer an.
    »Das gibt heute ein volles Haus, trotz Schnee
und Klohäuschen«, sagte Wetzon.
    Die Frau mit der Kamera folgte ihnen die halbe
Straße entlang, dann gab sie auf und ging zum Theater zurück.
    Allen’s Alley war von einem Streifenwagen
blockiert. Ein junger Officer stieg aus und wartete auf sie.
    »Dafür, daß wir trockene Füßchen behalten
haben.« Carlos bezahlte den Taxifahrer, und sie schoben sich an dem
Streifenwagen vorbei. »Carlos Prince und Leslie Wetzon, Choreograph und
Assistentin.«
    Der Polizist ließ sie durch.
    »Ich sehe, ich habe einen neuen Beruf.«
    »Wenn es nur wirklich so wäre.«
    Die Tür am Bühneneingang wurde von einem
Backstein offen gehalten. Ein stumpfer Gegenstand, dachte Wetzon. Wo war er
hergekommen?
    Ein ausgezehrter Mann mit verquollenen Augen
spielte heute abend Cerberus. Er hielt einen kalten Zigarrenstummel zwischen
schmalen gelblichen Lippen; seine Raucherstimme nuschelte um den Stummel herum.
Gerade berichtete er Walt Greenow, wie schwierig es gewesen war, bei dem Sturm
und Schnee von Needham hereinzukommen.
    Wetzon trat den Schnee von ihren Wildlederpumps
ab.
    Noch eine gute halbe Stunde, und die köstliche
Furcht vor dieser ersten Vorstellung vor einem Publikum war hinter der Bühne
zum Greifen real. Die süße Spannung wirkte berauschend.
    »Häschen, Fran hat eine Karte für dich. Du sitzt
neben mir.«
    »Ich fühle mich geehrt.«
    Carlos gab ihr einen gebremsten Faustschlag ans
Kinn. »Er ist wahrscheinlich vorn. Ich muß weg und meinen Tänzern merde wünschen.«
    » Merde für dich, Lieber.« Sie küßte ihn leicht auf die Lippen.
    Die Aufregung war greifbar, und Techniker eilten
hin und her, testeten Beleuchtung, Klang, Winden. Jeden Augenblick würden sie
jetzt die Türen öffnen und das Publikum einlassen.
    »Aber wenn du die Palette veränderst, ruinierst
du meine Kostüme.« Peg Buttons Stimme übertönte das Surren eines elektrischen
Bohrers.
    »Sprich mit Mort. Ich streite nicht mehr«,
erwiderte Kay.
    Auf der Bühne stand ein Elektriker auf einer
hohen Leiter und wechselte eine durchgebrannte Birne aus.
    Ein leiser Trommelwirbel, dann der Klang von
Saiteninstrumenten, die gestimmt wurden, drang durch das Haus und die Vorhänge
und unter dem Bühnenboden hervor. Alles trug zu der beschwingten,
erwartungsvollen Atmosphäre bei.
    Wetzon ging die Treppe hinunter in das leere
Haus. Die Holzplanken und Computer waren verschwunden, ebenso die Drähte und
Kabel, die den Mittelgang zur gefährlichen Hindernisbahn gemacht hatten. Der
erste Schub von Kartenbesitzern drängte sich an den Eingängen. Die Leute
warteten ungeduldig auf Platzanweiser.
    Gegen den Strom kämpfte sich Wetzon durch den
Seitengang vor. Bostoner Theaterbesucher machten sich immer noch fürs Theater
fein, was man von den nachlässigen New Yorkern nicht gerade behaupten konnte.
    Drei Monitore hingen an der Kante des Ranges,
unpassende

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