Mörderisches Musical
hingen, und
es juckte sie in den Händen, ihn zu berühren.
»Du glaubst, es war ein Unfall?« Er blickte auf
ihre nackten Füße, und sie wußte, daß ihm klar war, daß sie unter dem
Morgenrock nackt war.
»War es keiner?« Sie hängte ihren Mantel in den
Flurschrank. »Hattest du einen Mantel?«
»Nein.« Er rückte sein Jackett über der Waffe
zurecht. »Der Gerichtsmediziner behauptet, daß sie nicht versucht hat, sich
festzuhalten. Und das heißt, sie war entweder tot oder bewußtlos, bevor sie
unten aufschlug.«
Wetzon
rubbelte sich das Haar mit einem Handtuch trocken und fuhr mit dem Kamm
durch. Dampf von der Dusche hatte den Spiegel getrübt. Sie machte sich Sorgen
um Mark. Mit einem Handtuchzipfel wischte sie den Dampf vom Spiegel.
Die Frau im Spiegel war ausgemergelt, die grauen
Augen riesig. Als der Dampf ihr Bild erneut trübte, holte sie es nicht wieder
mit dem Handtuch vor.
Statt dessen ging sie ins Schlafzimmer und zog
die schwarzen Wolleggings an, die sie mit anderen Kleidungsstücken in einer
Kommodenschublade bei Alton aufbewahrte, und ein weißes T-Shirt von ihm.
Darüber zog sie seinen hellblauen Cashmere-Pullover mit V-Ausschnitt, der bei
ihr bis zum halben Oberschenkel reichte. Im Bad öffnete sie das Fenster, damit
der Dampf abziehen konnte, hängte die Handtücher auf und stellte sich zum
Schluß auf die Waage. Zweiundvierzig Kilo — und das in Kleidern. Kein Wunder,
daß sie sich so schwach fühlte. Sie hatte über ein Kilo abgenommen. Sorgen und
Streß hatten bei ihr immer diese Folge.
Entschlossen, sich das Verlorene wieder
anzuessen — ein köstlicher Gedanke — , begann sie, nach Eßbarem zu stöbern.
Altons Haushälterin hatte den Kühlschrank aufgefüllt, so daß frischer
Orangensaft da war. Sie goß sich ein großes Glas ein. Während sie es trank,
blickte sie vom Küchenfenster auf die 81. Street hinunter.
Die Straßenlampen waren von kleinen nebligen
Kreisen umgeben, und das Hayden-Planetarium auf der anderen Straßenseite glich
einer verzauberten Festung, die aus dem Nebel aufragte. Niemand unten hatte den
Schirm aufgespannt, doch die Bürgersteige sahen naß aus. Alton hatte Izz ausgeführt,
um in der Tierhandlung drüben auf der Amsterdam eine Leine und Hundefutter zu
besorgen. Zum Abendessen würde er etwas vom Chinesen mitbringen.
Im Schlafzimmer machte sie es sich mit dem
Telefon, das sie am Nachttisch herausgezogen hatte, und ihrem Ringbuch auf dem
Teppich bequem. Sie hielt den Stift in Bereitschaft und rief ihren
Anrufbeantworter ab. Die Traube aus Edelsteinen an ihrem Ringfinger erinnerte
sie daran, daß ihr Leben eine unerwartete Wende genommen hatte. Sie verschloß
die Augen davor.
Die erste aufgenommene Nachricht war, daß jemand
ins Telefon schnaufte, dann auflegte. Verdammt. Müßte sie sich Gedanken machen,
ob er sich verwählt hatte oder ob sie gemeint war? Sie wartete auf den zweiten
Piepton. Wieder Schnaufen.
Das Schnaufen hörte auf, und eine dritte
Nachricht kam. »Wetzon, es tut mir leid. Ich habe es nicht gewollt. O Gott, es
tut mir so leid.« Mark legte mitten in einem hysterischen Schluchzer auf.
Wie betäubt hörte sie den Rest der Nachrichten
durch einen Wirrwarr widerstreitender Gefühle. Dreimal aufgelegt.
Wahrscheinlich Silvestri, der sie suchte, bis er sich zusammenreimte, wo sie
war.
Piep. »Tag, Wetzon. B. B. hier. Es ist vier Uhr, und wir sind fertig. Er ist ein
irrer Typ. Bis Montag... hm, und vergiß nicht, daß ich dich privat sprechen
möchte.«
Piep. »Es ist zwei Uhr Samstag nachmittag. Ich kann dich am Sonntag um vier
empfangen, Leslie. Du brauchst nicht zurückzurufen, wenn es paßt.« Sonyas
herzliches Mitgefühl kam vom Band rüber.
Piep. »Häschen!« Carlos klang aufgeregt. »Mort hat mich über Susan informiert. Wo zum
Teufel steckst du? Geht es dir gut? Ich habe eine wirklich sonderbare Nachricht
von Smitty. Hör zu, ich möchte das nicht auf Band sprechen. Hinterlaß eine
Nummer, wo ich dich heute nacht anrufen kann, wenn die Kritiken hereinkommen...
Wer hat nur gesagt, das sei lustig?«
Sonst waren keine Nachrichten darauf. Wetzon
rief das Ritz an und hinterließ ihren Namen und Altons Telefonnummer für
Carlos.
Nachdem sie einen großen, stärkenden Schluck
Orangensaft getrunken hatte — ein Schuß Alkohol fehlte — , wählte sie Smith’
Privatnummer. Das Telefon läutete und läutete. Keine Antwort. War Mark ans
College zurückgefahren? Oder könnte er nach Boston geflogen sein? Sie legte
auf, erhob sich,
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