Mörderisches Musical
Befehl erzeugte noch mehr Rumpeln und
Poltern, als ob Gegenstände über den Boden geschleift würden, und dann tauchte
Rudy auf. Er befand sich eindeutig in der richtigen Familie. Stark wie Shirley,
jedoch einen Kopf kleiner, schleppte er zwei riesige Koffer und einen Plastiksack,
der bis zum Rand vollgestopft war. Izz rannte auf ihn zu und begann, nach
seinen Fersen zu schnappen und zu winseln, kratzte an den Koffern und wedelte
mit dem Schwanz, als wüßte sie, was sie enthielten.
»Du lieber Gott«, stöhnte Susan. »Sie weiß, daß
es Dillas Sachen sind.«
Es vergingen noch einmal fünf Minuten, bis die
Monster endlich gegangen waren.
Susan kam in die Küche zurück, das Gesicht
voller Tränenspuren. »Sind sie nicht gräßlich? Denen ist das völlig egal.
Schnurz und piepe. Wenn nur genug für sie abfällt. Arme Dilla.« Sie wischte
sich mit einem Papiertuch die Augen, dann ließ sie kaltes Wasser in die Spüle
laufen, wusch sich das Gesicht und trocknete es mit einem Papiertuch. »Dilla
war in ihrem ganzen Leben nur mit mir glücklich. Deshalb will ich
herausbekommen, wer es getan hat. Für sie.« Sie setzte sich Wetzon gegenüber.
»Wirst du mir also helfen? Geld habe ich.«
»Susan, wie gesagt, ich bin kein zugelassener
Detektiv, und ich könnte kein Honorar von dir nehmen.«
»Bitte, Leslie. Ich flehe dich an. Ich kann
keinen Fremden bitten, das zu tun. Kein Mensch würde mit ihm sprechen. Du
kennst alle. Mort wird bestimmt einen Fehler machen und etwas ausplaudern. Ich
will nur, daß du es mir sagst, und dann kümmere ich mich darum.«
»Und wenn Mort es gar nicht war?«
»Ich kann mit allem leben, was du
herausbekommst. Wenn Mort es nicht war, dann einer von denen. Sie haben sie
alle gehaßt.«
»Und was wirst du mit der Information anfangen?«
Susan und Wetzon sahen sich fest in die Augen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Susan leise.
»Ich werde es der Polizei sagen müssen, Susan.«
»Okay.« Sie sagte es zu schnell, und Wetzon
steckte es weg, um später darüber nachzudenken.
»Ich fliege Donnerstag abend nach Boston. Was
hältst du davon, wenn ich dort Augen und Ohren offenhalte, und wenn ich etwas
herausbekomme, können wir das Honorar in Dillas Namen der Aids-Hilfe stiften?«
Susans Gesicht hellte sich auf. »Okay.
Abgemacht.«
Wetzon nahm ihren Mantel vom Haken und zog ihn
an. »Bevor ich gehe, Susan...«
Der Summer der Sprechanlage schrillte. »Bitte,
bitte, sag mir nicht, daß sie zurückgekommen sind.« Als Susan sich nicht
meldete, schrillte es noch einmal. »Entschuldige mich, Leslie.« Sie ging
hinaus.
Die Sprechanlage brummte, dann hörte Wetzon
Susan sagen: »Wer?« Wieder das Brummen. »Nein! Ich bin nicht da. Sagen Sie ihr,
ich bin nicht da.«
Als Wetzon in den Flur kam, starrte Susan düster
auf die Sprechanlage und ließ die Schultern hängen. »Susan?«
Susan warf sich herum. »O Leslie, entschuldige.
Du hast mich etwas gefragt...«
»Zufällig habe ich die Tantiemenliste zu Hotshot gesehen und deinen Namen darauf gelesen.«
Susan schien nicht überrascht. »Herrgott, es
wird herauskommen. Ich habe es Dilla vorausgesagt.«
»Was denn?«
»Sam brauchte Hilfe bei den Songtexten. Ich habe
seit Jahren Gedichte veröffentlicht.«
»Das wußte ich nicht.«
Susan nickte. »Unter dem Namen S. C. Orkin. Sam
hatte Probleme, also habe ich ihm bei den Songtexten geholfen und sie ihm über
Dilla geschickt. Er ist so komisch geworden.«
»Das ist mir aufgefallen.«
»Es sollte niemand wissen, daß er Hilfe
braucht.«
»Aber es gibt keine Geheimnisse am Theater,
wenigstens nicht lange. Ich bin überrascht, daß es noch nicht durchgesickert
ist.«
Susan zuckte die Achseln. »Mir war es egal. Ich
habe kein solches Ego.« Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Ich kann nicht
glauben, daß Dilla nie mehr nach Hause kommt.«
Sie begleitete Wetzon zur Tür, sie wirkte so
hoffnungslos, daß Wetzon sie in die Arme nahm.
Es läutete an der Tür.
Susan wurde wütend. »Er hat sie heraufgeschickt.«
Sie machte sich von Wetzon los und riß die Tür auf. Vor ihnen stand ein
kahlköpfiger Mann in hellbrauner Hose und leuchtend roter Strickjacke. Seine
Augen platzten fast vor Wut, und sein Gesicht war dunkelrot. Die Hände an den
Seiten zu Fäusten geballt, schrie er: »Das geht zu weit! Ich habe eine kranke
Frau!« Sein Akzent war Wiener Melange, doch das Obers fehlte.
Hinter ihm klaffte die Aufzugtür, und dem
Aufzugführer stand vor Staunen der Mund offen.
Wetzon machte
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