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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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vorsichtig einen kleinen Bogen um
den Mann. »Wiedersehen, Susan.«
    »Was machen Sie hier oben? Sich gegenseitig
umbringen?« wollte der Mann von Susan wissen. Wetzon übersah er völlig.
    »Es tut mir leid, Mr. Nadelman. Es ist vorbei.
Sie sind...«
    Mr. Nadelman fiel ihr ins Wort, seine Stimme
angespannt vor Zorn. »Erst Freitag, dann heute. Beim nächsten Mal rufe ich die
Polizei.«

  Die
Luft war knisternd kalt und so trocken, daß Wetzon spürte, wie sich ihre
Gesichtshaut straffte. Sie brauchte die Kälte, um einen klaren Kopf zu
bekommen. Susan war so sicher, daß Mort Dilla getötet hatte, doch Susan und
Dilla hatten sich offenbar am Freitag furchtbar gestritten, wie ihr Nachbar
einen Stock tiefer behauptete.
    Auf der Fifth Avenue brauste der Auto- und
Busverkehr in stetigem Strom nach Süden, ein Schweif aus Scheinwerfern, die
alle in dieselbe Richtung rollten. Taxis spuckten immer noch Fahrgäste aus,
aber die Rush-hour war vorbei, und bis auf wenige vereinzelte Bummler auf dem
Heimweg waren kaum Fußgänger unterwegs. Nur die Hundebesitzer führten ihre
Tiere aus, bei Tag und Nacht, sommers wie winters.
    Eine Frau in schwarzem Tuchmantel stieg vor dem
Gebäude in ein Taxi. Die Straßenlampen wurden von ihrer Brille reflektiert, als
der Portier die Taxitür zuwarf. Über die Schulter rief er Wetzon zu: »Taxi,
Miss?«
    »Nein, danke.«
    Der Central Park auf der anderen Straßenseite
bildete eine Oase zwischen East und West Side Manhattans.
Quecksilberdampflampen tauchten den Park in den rötlichen Schein eines Zauberreichs
inmitten der nächtlichen Stadt.
    Das unbeugsame Metropolitan Museum war, obgleich
montags geschlossen, beleuchtet wie das Weiße Haus. Wetzon zupfte am Kragen
ihres Waschbärmantels und lockerte den grauen Cashmere-Schal am Hals, um ihn
über Kinn und Mund zu ziehen. Die Montagabende in New York waren immer ruhig,
als müßte sich jeder von dem Schock des ersten Arbeitstages nach dem Wochenende
erholen. Gerade als sie die überdachte Haltestelle erreichte, hielt der Bus,
der über die 79. Street zur West Side fuhr. Sie warf die Marke in den Schlitz
und entschied sich für einen Fensterplatz. Vier Teenager saßen nebeneinander
auf der hintersten Bank des Busses und brüllten vor Lachen. Dann verstummten
sie kurz, bis eine erneut anfing und die andern einfielen. Die Jahre
verstrichen so schnell, dachte Wetzon. In einem Jahr war sie vierzig und...
    Als die Ampel umsprang, fuhr der Bus in den
Park. Doch Wetzon nahm ihre Umgebung nicht mehr wahr.
    Eigentlich gab es eine einfache Erklärung, warum
Joel Kidde und der Firmenjet nach Boston flogen. Joel mußte Morts Agent sein.
Möglicherweise vertrat er sogar alle Schöpfer der Show. Das kam vor; kleine
Agenturen gingen in großen auf, genau wie an der Wall Street. So mußte es sein.
    Als Carlos einen Firmenjet erwähnte, hatte sie irgendwie
vorausgesetzt, daß es sich um den der Plattenfirma handelte. Setze nichts
voraus, Wetzon. Setze nie etwas voraus.
    In Ordnung, damit war Joel Kidde abgehakt.
Weiter zur nächsten Kuriosität. Warum hatte Susan sich so darüber aufgeregt,
daß Wetzon den kleinen Beutel voller Schmuck zu sehen bekam? Und warum hatte
sie ihn danach unter der Spüle versteckt? Waren Banksafes aus der Mode
gekommen? Und wer war Lenny? Wer war Celia? Der einzige Lenny, den Wetzon im
Showbusineß kannte, war Leonard Bernstein, den jedermann Lenny nannte, und
obwohl er Dilla wahrscheinlich gekannt hatte, gab es keinen Grund für sie und
erst recht nicht für Susan, Schmuck zu haben, der ihm gehörte. Außerdem war er
tot. Und Lenny Bernstein war mit Felicia verheiratet gewesen, die ebenfalls tot
war.
    Ein rauhes Husten in der Nähe riß Wetzon in die
reale Welt zurück. Die Grippe grassierte diesen Winter. Neben ihr saß eine
vornehme Dame in einem Zuchtnerzmantel mit passendem Hut. Sie hustete in ein
Taschentuch. »Du meine Güte«, keuchte sie. »Entschuldigen Sie.« Sie klappte das
Buch zu, in dem sie las — Sexuelle Perversionen der Frau —, und stand
auf. Der Bus schaukelte auf seinem kurvenreichen Weg durch den Park und kam an
der 81. Street und Central Park West heraus, wo die hustende Frau, die vier
Mädchen und die meisten anderen Passagiere ausstiegen.
    Das Museum für Naturgeschichte und das
Planetarium, ebenfalls montags geschlossen, ragten wie dunkle Wachposten auf,
die den Eingang zur West Side hüteten.
    Wetzon blieb bis zur 79. und Broadway im Bus.
Dann stieg sie aus und ging zu Fuß zur 73. Street, wo Sonya in

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