Mörderisches Musical
hätte
und dann...« Wetzon zog die Schultern hoch. »Aber wahrscheinlich wäre alles
auch so in Ordnung gewesen. Es wäre auch ohne ihn vorbeigegangen.«
Das Glockenspiel in der alten
holländisch-reformierten Kirche hinter Sonyas Haus begann einen Choral zu
spielen, den Wetzon erkannte, dessen Worte ihr jedoch nicht einfielen. Ein
Danksagungschoral. Ohne bestimmten Grund füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Sie preßte die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
Sonya wartete geduldig. Nach mehreren Minuten
soufflierte sie: »Aber Silvestri ist gekommen und hat dir geholfen?«
»Ja.« Wetzons Hände wollten nicht stillhalten.
»Wir sind nicht mehr zusammen, Sonya. Es ist aus. Wenigstens bemühe ich mich,
daß es aus ist. Ich kenne einen andern. Es ist eine viel bessere Beziehung.«
»Warum sagst du das?«
»Weil Alton so nett ist und nicht wegen allem,
was ich tu, mit mir streitet.«
»Das gefällt dir?«
»Ja, selbstverständlich.« Wetzon konnte die
Gereiztheit in ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Es ist leichter, mit Menschen
zusammenzusein, die — ach, egal. Ich will mich nicht auf die Unterschiede
zwischen Alton Pinkus und Silvestri einlassen und warum der eine besser für
mich ist als der andere.«
»Alton Pinkus? Der Gewerkschaftsführer?«
»Ja. Und sprich es bitte nicht aus. Ich weiß. Er
ist zwanzig Jahre älter als ich.«
»In Ordnung. Was passierte Samstag nacht, oder
war es inzwischen Sonntag morgen?«
»Silvestri beruhigte mich, und dann mußte ich versprechen,
daß ich mit jemandem reden würde... Deshalb bin ich hier.«
»Na, der Punkt geht an ihn.« Sonya lächelte.
»Gibt es noch etwas anderes, was dich beunruhigt?«
Wetzon sah Sonya mißtrauisch an. »Warum fragst
du?«
»Denk darüber nach. Hab es nicht so eilig. Wir
haben noch ein bißchen Zeit. Wie kommst du mit deiner Teilhaberin aus?«
»So wie es immer sein wird, schätze ich. Smith
ist oberflächlich und treibt mich zur Raserei, aber uns verbindet eine
Geschichte. Und im Geschäft arbeiten wir gut zusammen. Von meinem Standpunkt
aus ist ihr Privatleben, abgesehen von ihrem Sohn Mark, eine Katastrophe, aber
sie würde über mich dasselbe sagen, nur ohne das Kind.«
»Ihr Privatleben?«
»Sie hat einen wunderbaren Mann wegen dieses
schmierigen Anwalts, Richard Hartmann, abserviert.«
»Ach?« Für den Bruchteil einer Sekunde verriet
sich Sonya. Feministinnen haßten Richard Hartmann. Er hatte einen Vergewaltiger
und Mörder verteidigt, er quälte immer das Opfer, das nicht für sich sprechen
konnte, und bekam seinen Mandanten frei. Und Sonya war Feministin.
»Ja. Ich habe mich immer gefragt, was für eine
Frau sich zu so einem widerlichen Kerl hingezogen fühlen könnte...« Wetzon
erinnerte sich an seinen Körper, der sich an sie drückte, seine Hände an ihrer
Kehle, seine Drohung. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
»Leslie.« Sonyas beruhigende Stimme durchdrang
die intensive Erinnerung. »Ist zwischen dir und Richard Hartmann etwas
vorgefallen?«
»Wie kommst du darauf?« Wetzon funkelte Sonya
an, dann senkte sie den Blick und preßte die Hände zusammen.
Sonya zeigte keine Reaktion. »Warum erzählst du
mir nicht davon?«
Minuten verstrichen. Jemand begann, in der
Wohnung über ihnen Möbel zu rücken. Die Dielen protestierten mit einem
menschenähnlichen Ächzen.
Wetzon räusperte sich. »Ich habe Papiere
gefunden, die beweisen könnten, daß Hartmann Geld wäscht. Smith begann gerade,
mit ihm anzubändeln, also habe ich sie gewarnt, es nicht zu tun. Ich wollte
alles, was ich gefunden hatte, zu einer stellvertretenden Staatsanwältin
bringen, die ich kennengelernt hatte. Aber Smith hat es ihm erzählt...«
»Sie hat es ihm gesagt ?« Sonyas Stimme
schwankte, und Wetzon hob den Kopf.
»Ich weiß, wie sich das anhört, aber Smith liebt
ihn. Ich konnte nicht damit zum Staatsanwalt gehen, solange sie Teil seines
Lebens ist.«
»Warum nicht, Leslie?«
»Sonya, sie hat so wenig, und ob du es glaubst
oder nicht, sie ist zart besaitet. Ich mag sie.« Sie biß sich auf die Lippe.
»Und ich fürchte mich vor Hartmann. Er hat mich bedroht — körperlich — , und
feige, wie ich bin, habe ich nichts unternommen. So liegen die Beweise gegen
ihn in meinem Banksafe und altern vor sich hin. Wie steht deine hochmoralische
Freundin Leslie Wetzon da?«
»Sei nicht so hart zu dir, Leslie. Du bist keine
Superfrau.«
»Nein? Und genau das habe ich die ganze Zeit
geglaubt.« Wetzon seufzte.
»Möchtest du
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