Mörderisches Musical
Was sagt die Polizei?«
»Ich habe sie nicht gerufen — ich kann nicht —
du verstehst das nicht. Es ist einfach zu kompliziert...«
»Ruf die Polizei, Susan, sofort.«
»Leslie, ich habe dir nicht alles gesagt...«
»Um Himmels willen, Susan!«
»Am Tag, bevor sie ermordet wurde, bekam Dilla
einen Drohbrief.«
»Ich
gehe heute abend nicht zu Fuß«, sagte Wetzon zu Laura Lee Day. »Es ist zu
kalt.« Sie befanden sich im Rockefeller Center, unter dem NBC-Gebäude, und
standen an einer der kleinen Bars, tranken Espresso und teilten sich einen
Karottenmuffin.
Laura Lee war eine junge Börsenmaklerin mit
kleinem Umsatz gewesen, als Wetzon sie vor fünf Jahren zu Oppenheimer brachte.
Sie waren schnell Freundinnen geworden. Gemeinsam war ihnen die Begeisterung
für die Künste: Wetzon war Tänzerin, Laura Lee Geigerin gewesen, und sie
spielte immer noch in einem Liebhaberstreichquartett.
Wenn Laura Lee in Midtown einen Kunden zu
besuchen oder eine Präsentation zu machen hatte, legte sie den Termin immer auf
den Nachmittag, verabredete sich dann mit Wetzon auf einen Drink oder einen
Espresso, und anschließend gingen sie zusammen zu Fuß nach Hause. Bei kalter
oder unfreundlicher Witterung trennte Wetzon sich von Laura Lee vor dem
Hochhaus gegenüber vom Lincoln Center, in dem Laura Lee wohnte, im Sommer
jedoch kauften sie sich manchmal gefrorenen Joghurt und setzten sich in der
Nachmittagssonne an den Brunnen auf der Lincoln Center Plaza, um sich
gegenseitig die Neuigkeiten in ihrem Leben zu berichten.
»Du bist nicht nur ein Schwächling, sondern noch
dazu ein verschrobener.« Die Worte waren vielleicht scharf, doch die Töne
einschmeichelnd. Laura Lee stammte aus dem Süden, und die weiche, gedehnte
Sprechweise des Mississippideltas gehörte untrennbar zu ihrer Persönlichkeit.
Wetzon empfand eine Welle der Zuneigung zu ihrer
Freundin. Laura Lees braune Augen strahlten soviel Herzlichkeit aus. Ihr kurzes
kastanienbraunes Haar war aus dem Gesicht zurückgekämmt, und sie sah keinen Tag
älter aus als damals, als sie sich kennengelernt hatten. Wenn überhaupt, dann
war sie hübscher, schlanker und viel selbstbewußter. Im vergangenen Jahr hatte
sie eine intensive Affäre mit einem Bildhauer gehabt, der in einer der ersten
Galerien SoHos ausstellte. »Nicht aus dem Holz, aus dem Ehemänner geschnitzt
sind«, hatte sie Wetzon zufrieden berichtet. Wetzon und Laura Lee teilten die
zwiespältige Einstellung zur Ehe. »Denn«, bemerkte Laura Lee gern, »sobald du
einmal verheiratet warst, kannst du nicht mehr sagen, daß du nie verheiratet
warst.« Was für Wetzon sehr logisch klang.
»Ich habe Francesca gestern für dich angerufen«,
fuhr Laura Lee fort. »Genaugenommen wollte ich sowieso mit ihr reden. Sie kennt
sich bestens in der Provence aus. Sie ist nicht daran interessiert, von Smith
Barney wegzugehen. Ihre Ar-beitsbedigungen sind so gut. Sie geben ihr für ihre
Freßaus-flüge frei; irgend jemand ist immer bereit, sich um ihren Kundenstamm
zu kümmern. Warum sollte sie dort aufhören?«
»Es war ein Hinweis, und ich wußte nicht genau,
ob es ein guter war. Francesca ist telefonisch so schwer zu erreichen. Danke.«
»Anschließend hat sie mir alles erzählt, wo sie
gegessen hat, was sie gegessen hat und was sie gekocht hat. Du meine Güte, ich
dachte, als ich auflegte, eines Tages sehen wir Francesca die Park Avenue
herunterkommen, und sie hat sich in eine Aubergine verwandelt.«
Wetzon mußte lachen. »Wie war es in der
Provence?«
»Sagenhaft. Unglaublich. Ich habe einen Kanister
Olivenöl direkt von einer Mühle bestellt, und du glaubst es nicht, als ich
Francesca davon erzählte, sagte sie: >Aber, liebe Laura Lee, mir schmeckt
das Olivenöl von der Mühle bei Mougins viel besser.<«
Wetzon kicherte.
»Warte, das Beste hast du noch gar nicht gehört.
Sie sagt mir, >Wir hatten eine blinde Verkostung, und ich denke, unseres ist
besser.< Kannst du dir das vorstellen, sie saßen um einen Tisch herum und
tunkten Brot in verschiedene Olivenöle? Eine blinde Verkostung von Olivenölen?
Ich konnte nicht mehr.«
»Ach, ich weiß nicht. Ich hätte nichts dagegen,
richtig gutes Weizengrießbrot in verschiedene Olivenöle zu tunken.«
»Aber du würdest bestimmt nicht darüber reden.«
»Wahrscheinlich nicht.« Sie mußte wieder lachen,
und Laura Lee lächelte sie an. »Das ist ein erstaunlich guter Kaffee.«
»Es ist Starbucks’, von Seattle bis hierher. Der
beste Kaffee der Welt. Und ich freue mich,
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