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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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mit üblem Mundgeruch direkt auf mich herunter atmete. Ich blickte auf und
direkt in das Gesicht eines Obdachlosen. Er war so schmutzig, daß es jeder
Beschreibung spottet. Er sah aus wie einer, der sich letzten November im
Schlamm gewälzt und es trocknen gelassen hat. Er redete mich an, und ich
schwöre, daß ich beinahe den Atem anhielt. >Entschuldigen Sie<, sagte er,
>aber würde es Ihnen etwas ausmachen< — und was meinst du, was er sagt?«
    »Ich habe keinen Schimmer.«
    »Er sagt: >Kann ich Ihre Zeitung lesen?<
Ganz verdattert sage ich: »Aber es ist das Journal .< Er starrt mich
nur an und will nicht weggehen, also gebe ich ihm den Teil, den ich gerade
gelesen habe, weißt du, den mit den Aktienkursen und so, und was meinst du,
Wetzon? Er fängt an zu lesen. Und gerade als wir ins World Trade Center
einfahren, faltet er sie zusammen, gibt sie mir zurück und sagt: »Der Markt ist
künstlich verteuert, Korrektur ist dringend fällig.««
    »Das hast du erfunden.«
    »Ehrlich, Hand aufs Herz.«
    »Dann würde ich ihn wahrscheinlich
wiedererkennen.«
    »Wie das?«
    »Ganz einfach. Er war mal Börsenmakler.«
    Lachend erreichten sie Laura Lees Haus.
    »Übrigens«, sagte Laura Lee. »Seine Tochter gibt
eine große Abendgesellschaft.«
    »Wessen Tochter? Des heruntergekommenen Maklers?«
    »Reiß dich zusammen, Wetzon. Alton Pinkus’
Tochter.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe dir doch erzählt, daß Sandra Semple
meine Kundin ist.«
    »Habe ich ganz vergessen. Alton wird im März
siebenundfünfzig. Vielleicht ist es eine Geburtstagsfeier.«
    »Sie hat mich eingeladen, dann sehen wir uns
also dort.«
    »Sei dir nicht zu sicher. Ich glaube nicht, daß
Altons Kinder mich mögen.«
    »Kinder sind sie kaum. Sandra ist einunddreißig,
und die zwei anderen sind Ende Zwanzig und wohnen sowieso nicht in der Nähe.
Und Alton liebt dich, was macht es also? Du heiratest nicht sie.«
    » Ihn heirate ich auch nicht.«
    Wetzon winkte Laura Lee und setzte ihren Weg die
Columbus hoch fort. Laura Lee stieß sie auf die humoristischen Seiten des
Lebens. Und das war gut. Sie war ein lebhafter Geist und rang dem Leben mehr
Vergnügliches ab als zehn andere Bekannte Wetzons zusammengenommen.
    Wetzon fühlte sich so wohl, daß sie Detective
Bernstein und seine Kollegin zuerst nicht erkannte, als sie aus einem neutralen
Auto stiegen und in ihre Halle gingen.
    »Scheiße!« sagte sie laut, und ein Kind auf
einem Fahrrad äffte sie nach: »Scheiße, Lady, Scheiße, Scheiße!« Sie blieb
abrupt stehen. Sie hatte nicht übel Lust, auf dem Absatz kehrtzumachen und in
einem Lokal zu essen. Aber sie war müde. Sie wollte nicht irgendwo essen. Sie
wollte zu Hause sein.
    Bernstein tauchte aus ihrem Haus auf und blickte
die Straße auf und ab. Und wieder auf. Er hatte sie entdeckt und stand jetzt
wartend unter dem marineblauen Baldachin.
    »Ms. Wetzon.« Immerhin hatte er wenigstens auf
seinen spöttischen Miss-Wesson-Spruch verzichtet.
    »Detective Bernstein. Guten Abend. Welcher
Angelegenheit verdanke ich das Vergnügen Ihres Besuches?« Er hielt ihr die Tür
auf, und sie betraten ihre Halle, wo seine Partnerin Gross Wetzons Portier
ablenkte.
    »Es wäre einfacher, wenn wir nach oben gingen.«
Bernstein folgte ihr zu ihrem Briefkasten und beobachtete sie, wie sie die Post
herausnahm.
    »Sie wollen sagen, Sie möchten mitkommen?«
Wetzon drückte auf den Aufzugknopf. Die Kabine befand sich im neunten Stock und
stand still. Eine Alarmglocke begann zu schrillen. Der Aufzug war
offensichtlich wieder einmal steckengeblieben. Soviel zu den sechstausend
Dollar Umlage, die sie als ihren Anteil an dem neuen Aufzug hatte zahlen
müssen.
    »Kommen Sie, ich bringe Sie hinauf, dann rufe
ich den Hausmeister.« Julio deutete auf den Lastenaufzug, dann ging er zur
Haustür und schloß ab.
    Der Lastenaufzug, ein antikes Stück selbst für
die West Side, würde es auch nicht mehr lange machen. Ein widerlicher Geruch drang
aus dem Stapel von gefüllten Plastikmüllsäcken an der rückwärtigen Wand der
Kabine. Es war keine angenehme Fahrt, aber besser, als zwölf Treppen
hinaufzusteigen.
    Als sie ihre Tür aufschloß und ihnen voranging,
schaltete sie den Kronleuchter in der Diele an und ging dann ins Wohnzimmer, um
Licht zu machen.
    »Mann, ist das toll«, bemerkte Gross.
    »Hm.« Bernstein kratzte sich den Kopf unter der
Jarmulke und setzte sich aufs Sofa.
    »Ist das eine Eigentumswohnung?« Gross studierte
den Wandbehang, der vor ihr hing.
    »Ja.«

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