Mörderisches Musical
daß deine Stimmung besser wird.«
Wetzon trank den Espresso aus. »Mir sind in
dieser Woche ein paar traumatische Dinge passiert, und dabei ist erst Dienstag.
Ich möchte nur zu gern wissen, was der Rest der Woche noch bringen wird.«
Laura Lee signalisierte nach einer zweiten Tasse
und schaffte es, damit einen kleinen Flirt mit dem Kellner zu verbinden, einem
auf gepflegte Weise attraktiven Mann mit ausgeprägtem Mastroianni-Akzent. »Sehr
hübsch gebaut.« Sie grinste Wetzon an. »Ich brenne darauf, alles darüber zu
hören, Schatz.«
»Und ich brenne darauf, es dir zu erzählen,
falls du dich von dem Espressomann losreißen kannst, obwohl ich nicht weiß,
warum ich dich verurteilen sollte, ich habe ja selbst einen in meinem Leben.«
»Einen Espressomann?«
»Einen Italiener.«
»Ach so.« Laura Lee schüttelte den Kopf.
»Wetzon, Schatz, das Leben ist viel zu kurz, um alles so ernst zu nehmen wie
du. Nun zu deiner Geschichte.«
»Zuerst wird Dilla Crosby totgeschlagen, unmittelbar
vor Carlos’ Generalprobe, und wir finden die Leiche. Dann erkennt mich der
Detective, der den Fall hat, von unserer Bekanntschaft vor drei Jahren
wieder...«
»Und weiß nicht, daß du dich von Silvestri
getrennt hast...«
»Du hast es kapiert. Also greift er zum Telefon
und erzählt Silvestri, daß ich in einen Mord verwickelt bin. Und rate mal, wie
es weitergeht?«
»Silvestri kommt auf seinem Schimmel
dahergeritten. So.«
»Mehr oder weniger.«
»Und wo ist der vornehme Alton Pinkus, während
das alles passiert?«
»In Caracas bei irgendeinem
Gewerkschaftskongreß. Das ist die andere Sache, Laura Lee. Stell dir das vor:
Während Silvestri und ich uns auf dem Sofa vergnügen, ruft Alton an und
hinterläßt eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, so daß es alle Welt hören
kann, und bittet mich, ihn zu heiraten.«
Laura Lee sang einen Hochzeitsmarsch.
»Laura Lee, benimm dich.«
»Was für eine pikante Situation. Gefällt dir das
nicht?«
»Na ja...«
»Mach schon, Wetzon, denk darüber nach.«
»Aber Laura Lee, wenn ich Alton heirate, muß ich
meine Wohnung aufgeben.«
»Hör dir selbst zu, Schatz. Hast du mitgekriegt,
was du eben gesagt hast?«
Wetzon lachte. »Ich schätze, ich möchte nicht
heiraten. Wenigstens nicht, wenn ich dann umziehen müßte. Im Ernst, wie würde
ich jemals für das, was ich für meine Wohnung bezahlt habe, eine entsprechende
andere finden?«
»Wetzon, wir beide wissen, daß Quadratmeter das
Geheimnis einer perfekten Beziehung in New York sind.«
»Aha, der reine, süße Klang der Wahrheit.«
Wetzon griff nach ihrer Brieftasche.
»Steck das weg, Schatz. Ich habe es schon
erledigt.«
»Ich habe kein Geld über die Theke gehen sehen.«
»Marcello hält mich für süß.« Sie sah zum
Kellner hinüber, und er strahlte sie mit einem sexy Lächeln an.
»Du bist süß. Komm, wir gehen ein Stück zusammen.
Zwei Pelztiere, die über den Broadway tigern.«
»Ich dachte mir, daß du deine Meinung ändern und
doch zu Fuß gehen würdest, wenn ich dich erst aufgeheitert hätte. Und außerdem
tut uns beiden die Bewegung gut.«
Sie gingen die Sixth Avenue zur Central Park
South ziemlich schnell hoch, mit einem feuchtkalten Wind im Rücken, der sie
vorantrieb. Vor den Hotels reihten sich die Taxis. Das New Yorker Nachtleben
würde bald beginnen.
»Wie läuft es bei dir und Eduardo?« Eduardo war
Laura Lee Days SoHo-Künstler.
»An sich gut, aber ich bekomme es allmählich ein
wenig über, in einem Gabriel-Garcia-Marquez-Roman zu leben.«
Büroangestellte befanden sich auf dem Heimweg
zur Upper West Side. Jedesmal wenn die MTA die Preise für Bus und U-Bahn anhob,
entschieden sich mehr Menschen dafür, zu Fuß zu gehen. Und es waren wesentlich
mehr Frauen als Männer. Wetzon fragte sich, was das bedeutete.
»Ich hatte heute morgen wieder so einen New
Yorker Moment«, sagte Laura Lee. »Soll ich erzählen?« Laura Lee nannte seit
einiger Zeit absurde Dinge, die nur in New York passieren konnten, >New
Yorker Momente«, und sie und Wetzon wetteiferten mit solchen Geschichten.
»Ich weiß, daß du sie mir sowieso erzählst.«
Laura Lee gluckste. »Diese ist besser als alles,
was du in letzter Zeit hattest. Heute morgen bekam ich einen Sitzplatz in der
U-Bahn und schlug mein Journal auf. Ich blätterte als erstes zum dritten
Teil durch, um mich zu vergewissern, wo meine Aktien geschlossen hatten, dann
fing ich vorne an. Plötzlich wurde mir bewußt, daß jemand furchtbar nahe stand
und
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