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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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vom vordersten Parkett zur
Bühne hochzustarren. Von dem Platz hinten im Haus, wo Wetzon stand, sah sie,
daß Mort Carlos einen Klaps auf den Rücken gab und Carlos nickte.
    Irgendwo vorn leuchtete ein Blitzlicht auf, dann
noch eins. Kostümproben waren immer die beste Gelegenheit, Szenenfotos für die
Werbung zu bekommen. Wetzon suchte die vorderen Reihen nach dem Fotografen ab.
Sie fragte sich, ob Irwin Rodgers noch der bevorzugte Fotograf des Broadways
war. Irwin mußte jetzt in den Sechzigern sein und trug wahrscheinlich immer
noch das schlechte Toupet, das nie flach anlag, sondern über dem einen Ohr ein
wenig abstand.
    JoJo winkte das Orchester mitten im Takt ab. Es
dauerte einige Sekunden mehr, bis die Truppe auf der Bühne zum Stehen kam, so
ähnlich wie ein Wecker, der langsam ausläuft. JoJo rief etwas von >nicht
zuhören< und >zu früh einsetzen<, dann drehte er sich um und sprach
mit Carlos und Mort. Carlos lief nach links um den Orchestergraben herum und
kam zur Vorbühne. Er gab einen Hinweis auf Schrittkombinationen, die Wetzon
nicht verstehen konnte. Dann hob JoJo den Arm, und das Orchester und die
Schauspieler begannen wieder. JoJo hatte sich einen ansehnlichen Umfang und
einige Fettrollen, die unter seinem kurzen T-Shirt vorquollen, sowie einen von
Mort inspirierten grauen Bart zugelegt.
    Wetzon seufzte. Es würde eine lange Nacht
werden. Das war eine kombinierte Technik- und Kostümprobe. Sie schaute auf den
Spazierstock in ihrer Hand hinunter. Verdammt, Mort hatte ihr den Stock zur
Aufbewahrung gegeben, als ob sie noch für ihn arbeitete. Sie hängte den Stock
gerade an den Griff der Tür zum Foyer, als eine Frau in formlosen braunen Hosen
und einem beigen Männerhemd, einem Safarihemd mit tausend Taschen, die Treppe
vom Rang herunterkam, gefolgt von einer jüngeren Frau in Jeans, die ein
beleuchtetes Clipbrett trug. Kay Lewis, legendäre Lichtregisseurin. Kay hatte
mit allen großen Musicalregisseuren zusammengearbeitet: Jerry Robbins, Hai
Prince, Michael Bennett, Bob Fosse, Gower Champion.
    »Tag, Kay.«
    Kay blinzelte Wetzon mit trüben Augen an. Ihr
Gesicht war ein verzweigtes System von Falten, wunderschön in ihrer Symmetrie;
das Haar trug sie kurz und um die Backenknochen gerade gestutzt.
    »Mann, Sie sehen wie diese kleine Tänzerin aus,
Leslie Soundso.« Ihre Stimme war tief und kratzig.
    »Wetzon. Und nein, ich bin nicht ins Showbusineß
zurückgekehrt, Kay. Ich bin als Carlos’ Freundin hier.«
    »Da hast du ja Glück.«
    »Ich vermute, Mort ist...«
    »Mort!« Kay spie den Namen aus. »Um es gleich zu
sagen, ich habe einen Furunkel am Hintern und kann mich nicht setzen, und Mort
hat sich selbst übertroffen. Das ist meine letzte Show mit ihm. Ich bin mit ihm
fertig. Es ist mir egal, wenn es außer ihm keinen Regisseur mehr gibt. Eher
sterbe ich, als daß ich noch einmal mit ihm arbeite.« Sie gab ihrer Assistentin
ein Zeichen. »Komm, Nomi.«
    Die zwei Frauen gingen durch den Mittelgang,
wichen gekonnt dem Gewirr von Kabeln zum Computertisch aus, als ein lautes
zischendes Geräusch sie abrupt zum Stehen brachte. Die Bühne war plötzlich in
ein unheimliches blaues Licht getaucht. »Diese gottverdammten Farbwechsler!«
Kay schleuderte angeekelt ihr Clipbrett auf den Boden.
    Mort fing an zu brüllen. » Sechzig Farbwechsler! Sechzig, um Himmels willen.«
    »Du hast bekommen, was du wolltest«, fuhr Kay
ihn an.
    Wetzon lehnte die Arme auf die Stehplatzbrüstung
hinter den seitlichen Parkettsitzen und schaute sich um. Zwei Bühnenarbeiter
kamen aus den Seitenkulissen und schauten nach oben.
    Dann entdeckte sie Twoey, der mit Sunny Browning
am linken Gang im mittleren Teil saß. Ein paar Reihen hinter Carlos und Mort
saßen Aline und ihr junger Freund, Edward. Und Sam Meidner, mit einer Mütze,
die Morts Kopfbedeckung ähnelte, stand etwas abseits auf der rechten Seite, an
eine Säule gelehnt. »Okay, weiter geht’s«, befahl JoJo. »Einmal durch, dann
machen wir zwanzig Minuten Pause.« JoJo hob den Taktstock, und das Licht fing
die Gürtelschnalle seiner tiefsitzenden Jeans ein.
    Irgendwo in der Nähe hörte Wetzon Geflüster und
dann ein eigenartiges Geräusch, wie spritzendes Wasser. Das Orchester begann zu
spielen und übertönte das Geräusch. Neugierig ging Wetzon hinüber, wo der Gang
sich an zwei Reihen nach innen einbuchtete.
    Eine üppige Frau mit einer Masse wilden roten
Flaares saß auf dem letzten Sitz, ganz links, mit dem Rücken zu Wetzon. Poppy
Hombergs Haar war

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