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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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vergessen Sie die Nachricht an Mr.
Prince.«
    »Es ist nicht Mr. Prince«, sagte der
Empfangschef. »Es ist...« Ein unterdrückter Schrei hinter ihr; der Blick des
Empfangschefs löste sich von Wetzon und konzentrierte sich auf etwas über ihrer
Schulter.
    Wetzon wandte sich um. Eine ältere Frau lag auf
dem Teppich vor einer der Aufzugskabinen, ihre Gehhilfe umgekippt neben ihr.
    »Du meine Güte, Mrs. Kennedy.« Das ganze
Personal an der Rezeption war plötzlich abgelenkt.
    Ein Mann in Chauffeursuniform und eine große
Frau mittleren Alters halfen Mrs. Kennedy auf die Beine. Mrs. Kennedy rückte
ihre schwarze Glocke zurecht, die bedenklich über ein Ohr gerutscht war. Sie
lächelte und schien unverletzt.
    Wetzon schlenderte in die Bar. Was für eine
hervorragende Art, die Aufmerksamkeit abzulenken. Das würde sie sich merken.
    Es herrschte ein schummriges Licht in der Bar,
dunkler als sonstwo im Hotel, obwohl das flackernde Feuer im Kamin zur
Beleuchtung beitrug. Mehrere Tischchen waren besetzt. Der Barkeeper schenkte
Manhattans in zwei Gläser ein. Manhattans? Wer trank heutzutage noch
Manhattans?
    Sie sah sich rasch um, ohne jemanden zu
erkennen. Vielleicht hatte sich der Empfangschef verhört. Ihr Magen knurrte
leise; sie mußte bald etwas zu essen bekommen.
    Am Eingang zur Bar auf einem polierten
Nußbaumtisch stand eine riesige Schale mit Schnittblumen, so bunt und
frühlingshaft, daß Wetzon stehenblieb und eine rosarote Tulpe berührte. Sie war
tatsächlich echt.
    Jemand starrte sie an. Sie spürte den bohrenden
Blick im Rücken. Als sie sich schnell umdrehte, sah sie eine groteske Gestalt
im Halbdunkel sitzen. Er winkte sie mit seinem Spazierstock herbei.

  »Was
soll das?« Wetzon stieß den Stock beiseite und funkelte den Mann, dem er
gehörte, wütend an. »Mort, verdammt, konntest du nicht einfach >hallo,
Leslie< sagen wie ein normaler Mensch?«
    Morts rechter Arm befand sich in einer Schlinge,
und er trug einen Stützkragen um den Hals. Eine häßliche Schramme bedeckte die
rechte Seite seines Gesichts von der Stirn bis zum Ansatz seines Bartes; die
Augen waren glasig von zu vielen Schmerzmitteln. Eine Bandage unter dem
Cashmerepullover machte die eine Schulter zu einem dicken Paket. Er sah aus wie
Quasimodo mit Mütze, und er trank doppelte Martinis.
    Wetzon bekam sofort ein schlechtes Gewissen. »Um
Gottes willen, Mort, das tut mir leid.«
    Mit dem Stock deutete er auf den freien Stuhl
neben sich, dann winkte er dem Kellner mit der gesunden Hand. Immer noch von
seinem übel zugerichteten Äußeren schockiert, setzte sich Wetzon.
    »Amstel Light«, bestellte Wetzon, überrascht,
wie schnell der Kellner erschienen war, aber Mort war schließlich eine
Berühmtheit. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. »Und was zum Knabbern
bitte, Käse oder Kräcker.«
    Mort bestellte mit einer Geste einen weiteren
Drink. Konnte er nicht sprechen? Hatten bei dem Überfall seine Stimmbänder
gelitten?
    »Carlos hat mir erzählt, daß du überfallen und
ausgeraubt wurdest, aber ich hatte keine Ahnung...«
    »Überfallen und ausgeraubt...« Es war ein
höhnisches Krächzen, und Wetzon bemerkte, daß er den Mund wegen der Schwellung
kaum aufbekam. Er nahm ihre Hand und drückte sie so fest, daß sie
zusammenzuckte. »Du mußt mir helfen, Leslie.« .
    »Ich?« Sie starrte auf die Blume, die im Glas
hochstieg, während der Kellner einschenkte. »Was kann ich tun?«
    »Es war einer von ihnen. Erst Dilla. Jetzt ich.«
    Morts Ego war so beschaffen, daß er sich lieber
für ein potentielles Mordopfer halten wollte als für das Opfer eines Raubüberfalls.
Wetzon trank einen Schluck Bier und schnitt ein kleines Stück Stiltonkäse ab.
»Aber, Mort, bist du nicht vielleicht ein bißchen melodramatisch?« Und weil sie
es sich nicht verkneifen konnte, fuhr sie fort: »Du bist so ein netter Kerl,
warum sollte dich jemand töten wollen?«
    Die gesunde Seite von Morts Gesicht lief rot an.
Er betrachtete Wetzon argwöhnisch. Sie strahlte ihn mit ihrem freundlichsten
Lächeln an. »Gideon Winkler?« half sie nach, da sie wußte, daß der Dramaturg
von Mort eingeladen worden sein mußte, sich die Show anzusehen. So etwas
passierte nicht einfach so. Dahinter stand ein Plan.
    »Leslie, du konntest nie verbergen, was du von
mir hältst. Ich habe dir vertraut. Jetzt sehe ich, daß du wie alle andern
bist.« Tatsächlich traten ihm Tränen in die Augen; Wetzon fühlte sich
schrecklich. »Alle sind gegen mich.«
    »Aber, aber, Mort.

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