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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Dollar für ihre kleine Tasche, die sie selbst hätte tragen können, schloß
die Tür hinter ihm und lehnte sich kurz dagegen.
    Dann ließ sie den Mantel und die Lucas-Tasche
auf das Bett nächst der Tür fallen. Auf dem zweiten Bett konnte man bequem
seine Sachen ausbreiten. Auf dem Nachttisch stand neben dem Telefon eine Schale
mit Pralinen in Goldpapier. Sie schlüpfte aus den Schuhen, ließ sich auf das
andere Bett plumpsen und zog die Beine zum Yogasitz hoch. Auf ihrer Uhr war es
Viertel vor sieben. Sie war am Verhungern.
    Morgen abend würde die erste — und einzige —
Voraufführung von Hotshot stattfinden, weshalb Wetzon ziemlich sicher
war, daß heute alle bis tief in die Nacht zur letzten Technik- und Kostümprobe
im Theater sein würden. Nach ihrer Erfahrung brachte niemand die Technikprobe
jemals vor der ersten Voraufführung durch, aber durch irgendein Theaterwunder
klappte dann alles von allein.
    Sie könnte zum Theater hinüberlaufen und sehen,
wann sie eine Pause zum Essen machen würden. Anderenfalls wäre sie zum Essen
allein. Wetzon hatte angenommen, Smith würde mit ihrem Sohn Mark speisen, doch
Smith war ungewöhnlich verschwiegen über ihre Essenspläne gewesen, was Wetzon
recht war. Dies war Wetzons Welt: wesentliche Stücke ihrer Vergangenheit, ihrer
Seele, ihrer Jugend, ihrer engsten Freundschaften, Freuden und Schmerzen waren
darin verwoben wie in einer alten grobgewebten Tagesdecke.
    Genug, dachte sie, und stand auf. Sie packte die
Tasche aus, verstaute sie auf dem Schrankboden und hängte das neue kleine
Schwarze neben einen dicken weißen Frotteebademantel — eine Gefälligkeit des
Ritz, selbstverständlich — , dann baute sie ihre Toilettensachen im Bad auf dem
Bord über dem Waschbecken auf.
    Mußte sie ihr Make-up auffrischen? Das Gesicht,
das aus dem Spiegel schaute, war ihr nach einem Jahr immer noch fremd.
Irgendwie erwartete sie immer, die alte Leslie Wetzon zu sehen, die ihr
aschblondes Haar zu dem glatten Ballerinaknoten hochgesteckt trug. Als Folge
der Schießerei hatte sie zunächst einen Bürstenschnitt gehabt, und es wuchs so
quälend langsam nach, daß ihr Haar auch jetzt noch kaum zum Kinn reichte und
wegen ihres langen Halses bis zur Schulter noch ein gutes Stück zu wachsen
hatte. Ganz zu schweigen von den verräterischen weißen Härchen, die an der
Schläfe um die winzige Narbe erschienen waren.
    Sie tupfte die Nase und Stirn mit Tonic auf
einem Wattebausch ab. Genaugenommen machte diese Frisur sie jünger und ließ sie
weniger streng aussehen als mit dem Knoten. Doch sie vermißte die Sicherheit,
und sei sie bloß eingebildet, die sie empfunden hatte. Wenn ihr Haar wieder zum
Knoten nachgewachsen war, würde vielleicht der Alptraum verschwinden.
    Nach reiflicher Überlegung verdrehte sie die
grauen Augen zu ihrem Spiegelbild. So lange konnte sie auf keinen Fall warten.
Ein bißchen Puder auf die glänzenden Stellen, mit den Fingern durchs Haar
gefahren, geplante Unordnung, eine Spur Lippenstift, und voilà: Leslie
Wetzon, die erfolgreiche Geschäftsfrau.
    Sie teilte die Vorhänge und blickte hinunter auf
den verschneiten Public Garden. Die Straßenlaternen verbreiteten einen blanken
Glanz. Ihre Gedanken sprangen von Alton zu Silvestri und blieben dann an Carlos
hängen. Er würde sich über Gideon Winkler furchtbar aufregen.
    Mort war dafür bekannt, daß er jeden, wie sich
selbst, an den Rand der Hysterie trieb. Was Magengeschwüre, Ausschläge,
Durchfall, Migräne und Tränen bei allen in seiner Umgebung verursachte. Er
gehörte zu der großen Masse von Theaterleuten, die tatsächlich glaubten,
Kreativität entstünde aus Geschrei und Chaos.
    Du lieber Himmel, gib’s zu, Wetzon. Keine
einzige Minute davon vermißt du.
    Sie zog die Stiefel und den Mantel an, nahm
Handschuhe und Baskenmütze, hängte die Handtasche über die Schulter und ging
aus dem Zimmer. Sie ließ alle Lampen brennen, um später ein warmes Nest
vorzufinden. In diesen Tagen waren ihr Lampen viel wert.
    In der Halle stellte sie sich an der Rezeption
an, um eine Nachricht zu hinterlassen, falls Carlos anriefe. Zwei Frauen
standen vor ihr und baten den Empfangschef, ihnen ein Restaurant zu empfehlen.
Als Wetzon an der Reihe war, gab sie dem Mann ihre Zimmernummer und bat ihn,
Carlos Prince im Falle eines Anrufs auszurichten, sie sei auf dem Weg zum
Theater.
    »Ms. Wetzon«, sagte der Empfangschef mit diskret
gesenkter Stimme. »Jemand hat nach Ihnen gefragt. Er wartet in der Bar.«
    »Prima. Dann

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