Mörderisches Paradies
gespenstischen Feuerschein auf seinem Gesicht und dem tiefen Timbre seiner Stimme zog er sie alle in seinen Bann.
“Machen Sie weiter”, bat Ben. Dass selbst er so gefesselt zuhörte, erstaunte Beth.
“Nun ja, das junge Liebespaar wollte niemandem etwas antun. Und Marianne war eine hervorragende Schwimmerin. Sie wollte nur nahe genug an das Schiff ihres Geliebten gelangen, um ins Wasser zu springen und sich auf der Insel zu verstecken, bis Alonzo zu ihr kam. Mit etwas Glück wäre die Sea Star schon ein ganzes Stück entfernt, bevor man ihr Verschwinden bemerkt hätte.
Aber während Marianne ihre waghalsige Flucht ins Meer vorbereitete, schickte Kapitän Pierce in kleinen Booten Späher aus, die die Insel oder eher die Wasserverhältnisse auskundschaften sollten. Als Marianne gerade das Ufer erreichte, erfuhr Pierce, dass sich der Spanier mit seinem Schiff in der Bucht versteckte. Sofort rief er seine Männer zu den Waffen. In der Zwischenzeit hatte auch Alonzo mit einem Boot das Ufer erreicht, genau hier, wo unser Feuerchen brennt. Und in dem Moment, als Marianne und Alonzo sich freudig umarmten, ging die erste Kanone los. Es wurde eine erbitterte Schlacht, und Alonzo musste verzweifelt zusehen, wie seine Freunde kämpften … und untergingen. Sein Schiff, die La Doña, wurde versenkt. Viele seiner Leute versuchten an Land zu schwimmen, aber die Engländer töteten fast alle, bevor sie das Ufer erreichten. Marianne wollte nur, dass ihr Geliebter ungeschoren davonkam, aber Alonzo war ein unerschrockener Mann. Als Kapitän Pierce das Ufer erreichte, um die letzten Spanier zu verfolgen, stand er zum Kampf bereit. Die Schwerter der beiden Männer schlugen so hart aneinander, dass es Funken sprühte. Dann verlor Pierce seine Waffe. Aber Alonzo versetzte ihm nicht den Gnadenstoß, sondern trat zurück und sagte, er wolle nichts weiter als ein kleines Boot für sich und Marianne. Doch er hatte nicht mit der Verdorbenheit des Engländers gerechnet. Als Pierce wieder in Sicherheit und seine Männer bei ihm waren, befahl er, Alonzo zu hängen. Marianne brach vor Kummer das Herz, und sie schämte sich zutiefst für ihre Landsleute. Während man Alonzo abführte, versicherte Pierce ihr, sie werde ihn vergessen und dass er ihr künftiger Liebhaber und Ehemann sein werde. Da wischte sie ihre Tränen ab und kam auf ihn zu. Wie Pierce dachte, zweifellos um sein Angebot anzunehmen. Doch stattdessen griff sie an seinen Gürtel, zog seine Pistole heraus und erschoss ihn. Den Geliebten konnte sie trotzdem nicht retten. Er baumelte schon an einer Palme, als der Schuss noch über die Insel hallte, und konnte nur noch ihren Namen rufen, bevor sein Genick brach. Verzweifelt vor Schmerz richtete Marianne die Waffe gegen sich selbst.
Und als dieser zweite Schuss verhallte, bewegte sich die Sea Star ganz unvermittelt und trieb aufs Meer hinaus. Weil die Engländer auf der Insel so perplex und gelähmt auf das Geschehen unmittelbar vor ihren Augen achteten, reagierten sie viel zu langsam. Dann aber rannten sie zu ihren Beibooten und fuhren hinaus, so schnell sie konnten. Aber weder von ihnen noch von der Sea Star hat man jemals wieder etwas gesehen. In manchen Nächten, so erzählt man sich, kann man das Schiff sehen, wie es vom Wind auf den Wellen geschaukelt wird, aber dann verschwindet es wieder im Nebel oder am Horizont.”
“Oh”, hauchte Sandy.
“Und was ist mit Marianne, Alonzo und Kapitän Pierce?”, fragte Amber.
“Sie geistern natürlich hier auf der Insel herum”, erklärte Keith. “Nachts, wenn eine Brise über die Insel streicht, wenn die Palmzweige erzittern und der Wind heult – was man dann hört, sind die Stimmen derer, die auf immer die Insel heimsuchen.”
“Herrje”, krächzte Kim.
“Oh Mann”, flüsterte Amber.
Keith sah Ben entschuldigend an, weil er befürchtete, seine Geschichte könnte zu gruselig gewesen sein.
“Du hast dich nicht erschreckt, oder?”, fragte Kim ihre Freundin.
“Ach was”, erwiderte Amber, aber ihr Lachen klang etwas gezwungen. “Sei kein Idiot. Haben Sie jetzt Angst, Sandy?”
“Weil wir auf einer Spuk-Insel gelandet sind?”, fragte Sandy zurück. “Nein. Ich meine, die Zelte hier am Strand stehen doch alle recht nah beieinander, oder? Auch wenn es mir lieber wäre, Brad und ich würden hier in der Mitte campen.”
“Das wird ein großer Spaß”, neckte Brad sie und zwinkerte verschmitzt. “Sandy ist heute Nacht bestimmt besonders kuschelig, darauf könnt ihr
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