Mörderspiel
traten ihm in die Augen. „Du hast Camy umgebracht, nicht wahr? Das ist sie, dort in dem Haufen zu deinen Füßen.“
Sabrina glaubte, Joshua habe den Verstand verloren. Dann erkannte sie, dass er von einer zusammengekauerten Gestalt am Fuße des wächsernen Jon in der aufgebauten Szene sprach.
„Dort… das ist Camy. Wo ich dich in Wachs unsterblich gemacht habe, richtig, Jon?“ fragte Joshua.
„Sie ist nicht tot. Sie ist bewusstlos.“
„Aber das ist gleichgültig. Ebenso gut könnte sie tot sein. Wir werden für immer weggesperrt.“
Sabrina starrte ihn fassungslos an. „Warum, Joshua? Ich verstehe das nicht.“
„Das ist auch für mich schwer zu verstehen“, sagte Jon finster. „Ich habe euch vertraut, euch beiden. Ich hätte euch mein Leben anvertraut.“
„Zuerst… ist es einfach passiert“, erklärte Joshua. „Weil Cassie vorhatte, Camy zu feuern und die Freundschaft zwischen Jon und mir zu zerstören. Wisst ihr, ich bin gut.“ Er lächelte wehmütig. „Aber mit der Kunst ist es wie mit dem Schreiben. Gut sein bedeutet nicht zwangsweise Ruhm und Geld. Meinen Ruf verdanke ich eigentlich nur Jons Interesse an meiner Arbeit, gleichgültig, wie gut ich war.“
Sein Gesicht war schmerzverzerrt, als er Jon ansah und fortfuhr: „Camy sagte mir, sie habe Cassie versehentlich umgebracht. Aber seit damals… gab es weitere Unfälle. Ein Mädchen aus dem Dorf, zu dem ich freundlich war, fiel letztes Jahr vom Kliff und…“ Er brach ab und zuckte die Achseln. „Und du hattest Recht wegen der Kugel im Flur, Jon. Camy hat geschossen. Ich habe ihr gesagt, sie sei verrückt. Und sie erwiderte, das gehöre zum Spiel. Dann schoss sie auf die Pferde, als wir ausritten. Ich weiß nicht, ob sie einen von euch umbringen wollte, Brett oder dich, aber die Schuld an dem Tod hätte man dann den scheuenden Pferden gegeben. Sie hat dich angelogen. Sie schrieb dir die Mitteilung, in dem dir angedeutet wurde, der Mörder zu sein. Sie wollte Unruhe stiften und die Aufmerksamkeit von sich ablenken.“
Joshua verzog wieder das Gesicht. Seine Schmerzen waren offenkundig. „Woher hast du es gewusst, Jon? Warum bist du zurückgekommen? Wieso hast du Verdacht geschöpft, dass Camy und ich…“ Seine Stimme verebbte, und er zuckte resigniert die Schultern. „Ich dachte, wir würden vielleicht entkommen. Bei all den forensischen Untersuchungsmethoden heute hätte vielleicht irgendwann jemand festgestellt, wer Susan umgebracht hat. Doch das wäre nicht mehr wichtig gewesen. Inzwischen wären wir verschwunden – nach Mexiko, Guatemala, Afrika, irgendwohin. Aber dann musste Brett ja den Wunderknaben spielen. Er kam noch mal zurück nach unten und entdeckte Camy und mich hier. Ich musste versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber woher hast du geahnt, was hier los war, Jon?“
„Angus hatte euch mehrfach hier unten gesehen, Josh. Dich und Camy.“
„Warum bist du nicht weggeritten?“ fragte Joshua eindringlich, während er die Wand benutzte, um sich daran aufzurichten. „Warum bist du nicht weggeritten, um Hilfe für Reggie zu holen?“
„Angus’ Sohn hat es endlich bis zum Schloss geschafft, um seinem Vater zu helfen. Er ist für mich ins Dorf geritten“, erklärte Jon. „Und als Angus mir erzählte, dass er euch beide oft und heimlich hier entdeckt hatte, fürchtete ich, dass etwas Schlimmes geschehen könnte, wenn ich wegritt.“
„Noch etwas viel Schlimmeres wird geschehen!“ sagte plötzlich eine hitzige Stimme. Sabrina und Jon fuhren herum. Camy, die scheinbar bewusstlos zu Füßen von Jons Wachsabbild gelegen hatte, war aufgestanden und hatte aus der Tasche ihres Umhangs eine Waffe gezogen. „Ich kann damit umgehen. Ich habe es gelernt. Ihr wisst schon, eine einsame Frau, die oft in einem alten Schloss in der Wildnis allein ist… ich musste mich bewaffnen, um mich zu schützen. Verdammt, Jon, du konntest den Tod des Luders einfach nicht auf sich beruhen lassen! Ich hatte nie vor, ihr etwas zu tun. Du weißt, dass Cassie ein Monster war. Und Susan war sogar noch schlimmer …“
„Was ist mit dem Mädchen aus dem Dorf?“ fragte Jon leise.
Camy sah aus, als wolle sie lügen. Dann zuckte sie die Achseln. „Sie war mir im Weg. Ich mag keine Konkurrenz. Joshua hielt sie für hübsch. Steh auf, Joshua. Tut mir Leid, Jon, aber du musst jetzt auch sterben.“
Jon sah sie durchdringend an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, das glaube ich nicht. Joshua weiß inzwischen, dass du eine
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