Mörderspiel
habe überreden können, das Lügen für sie aufzugeben.
Sie war gerade dabei gewesen, sich zu der Erkenntnis durchzuringen, dass es töricht war, ihm nicht zu antworten, als sie hörte, dass er und Cassie den entscheidenden Schritt getan und nach einer Nacht in Las Vegas geheiratet hatten.
Nicht viel später hatte sie Brett geheiratet.
Ende der Geschichte.
Bis sie dann nackt aus der Flitterwochensuite gerannt war. Und Cassandra Stuart war vom Balkon in die wartenden Arme des Todes gestürzt.
Der Wind wurde schärfer. Fröstelnd blickte Sabrina in die Dunkelheit hinaus.
Der Mond stand sehr hoch und mühte sich, durch die Wolkendecke zu scheinen. Die Außenbeleuchtung tauchte den Innenhof unten in schwaches Licht. Das Schloss war U-förmig um den Innenhof herum gebaut. Das Hausmädchen, das sie vorhin auf ihr Zimmer geleitet hatte, hatte ihr erzählt, dass am Ende des linken Flügels das herrschaftliche Schlafzimmer lag, mit Balkons zum Innenhof und zur Rückseite.
Sabrina sah in die Richtung und erkannte im Mondschein auf dem Balkon die Gestalt eines Mannes. Der Wind blähte ihm das Hemd und wehte ihm das Haar zurück. Er stand aufrecht und still da und starrte den Mond an.
Dann drehte er sich um. Sie wusste, er beobachtete sie, und sie beobachtete ihn.
Es war Jon. Wie sie so dastand und ihn betrachtete, fragte sie sich, ob er litt, ob er seine Frau vermisste, ob er über ihren Tod nachsann.
Er hob eine Hand zum Gruß.
Sabrina wich in den Türrahmen zurück. Ein Schrei wollte sich ihrer Kehle entringen, als sie plötzlich glaubte, jemand sei hinter ihr.
Einen Moment lang übermannte sie eine eigenartige Furcht. Sie stand auf einem Balkon. Und wie auch die Umstände gewesen sein mochten, Cassandra war von einem Balkon gestürzt, nicht weit von hier. Sie war in die Arme der Poseidonstatue unten gefallen. Sein Dreizack hatte sie aufgespießt, und sie war sofort tot gewesen, ehe ihr Mann zu ihr zurücklaufen konnte. Poseidon stand immer noch unter dem Balkon, wenn auch die Rosenbüsche, die seinen Brunnen umgaben, nicht mehr blühten.
In Kenntnis dieser Vorgänge war es leicht, der Fantasie die Zügel schießen zu lassen und sich einzubilden, dass jemand hinter ihr stand, bereit, sie zu stoßen.
Doch als sie herumfuhr, war niemand da. Sie ging ins Zimmer zurück und vergewisserte sich, dass der Riegel noch vorgeschoben war.
In jedem Gästezimmer stand eine Flasche Brandy.
Sabrina hasste Brandy. Doch jetzt schenkte sie sich ein Glas ein und trank naserümpfend einen großen Schluck. Wenn du diese Woche überleben willst, musst du deine überhitzte Fantasie abkühlen, sagte sie sich.
Brett gegenüber hatte sie vorgegeben, müde zu sein, und das stimmte auch. Sie zitterte vor Erschöpfung durch Zeitverschiebung und Schlafmangel.
Trotzdem wurde sie nicht schläfrig.
Sie blieb noch stundenlang wach, trank Brandy, verzog bei jedem Schluck angewidert das Gesicht und las einige Magazine, die sie sich für den Flug gekauft hatte.
Sie hatte V.J.s letztes Buch dabei, und nachdem sie die Magazine durchhatte, begann sie darin zu lesen, bis sie merkte, dass ihre Konzentration nachließ. Schließlich legte sie sich hin, um auszuruhen.
Doch auch als sie endlich eingeschlafen war, wälzte sie sich unruhig im Schlaf und hatte beängstigende Träume.
In der Dunkelheit der Nacht schlich er die Stufen hinunter, leise wie ein Geist. Er versuchte sich einzureden, dass alles gut werden würde, dass er keine Angst zu haben brauchte.
Doch er hatte Angst. Denn er liebte sie.
Sie hatten ihr Treffen arrangiert, trotzdem war er plötzlich lächerlich unsicher. In dem alten Kellergewölbe war ihm auf einmal, als würden längst tote Mörder wieder lebendig, als verhöhnten sie ihn mit der Behauptung, er sei nicht besser als sie, obwohl er die Tat nicht selbst ausgeführt hatte. Das Licht war blass, bläulich und warf teuflische Nebel über die Gesichter von Folterknechten und Schwertkämpfern. Henker in ihren schwarzen Masken schienen sich zu bewegen, ihn herauszufordern, zu warnen.
Er kam zu der Szene mit Lady Ariana Stuart auf der Folterbank. Einen Moment blieb er stehen und vergaß Angst und Vernunft. Sie war von allen Figuren die schönste. Der Ausdruck von Unschuld und Aufrichtigkeit in ihren Augen war realistisch und sehr typisch für Sabrina Holloway. Erneut verblüfft über die Ähnlichkeit mit der lebenden Frau, die ihm nun wieder begegnet war, wollte er hinlangen, sie berühren und die Schöne aus den bedrohlichen
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