Mörderspiel
kostete, die letztes Jahr herauskam. Und natürlich befürchtete sie auch, dass Jon mit einem weiblichen Hausgast schlief. Sie selbst schlief aber angeblich auch mit jemand anders. Ich weiß nicht, ob das wirklich zutrifft oder nicht, denn sie verehrte Jon. Das tat sie wirklich. Sie wusste nur einfach nicht, wie sie sich als seine Frau verhalten sollte. Sie war ständig eifersüchtig und forderte ihn dauernd heraus. Gerade so, als müsste sie ihn wissen lassen, dass andere Männer sie anziehend fanden, dass sie ein Sonderpreis war, den er gefälligst zu würdigen hatte. Jon reagierte nie freundlich auf Drohungen. Andererseits stieß sie ständig Drohungen gegen jedermann aus – sie schien dauernd ein Damoklesschwert über die Köpfe anderer halten zu müssen.“
„Und Sie haben natürlich auch mit ihr gestritten.“
„Natürlich“, gestand Susan lächelnd. „Ich sagte schon, dass ich sie gehasst habe. Sie war das schlimmste Luder, das die Menschheit je kannte.“
„Ach, jetzt komm aber!“ beschwichtigte Brett und ging zum Buffet. Er schenkte sich Kaffee ein und nahm an Sabrinas anderer Seite Platz. „War Cassie wirklich so ein Ekel? Oder wurde sie nur missverstanden? Vielleicht war es auch schwer, mit Jon Stuart verheiratet zu sein und sich jeder seiner Launen zu fügen. Sie liebte das Großstadtleben, Glamour und Aufregung, und er verkroch sich gern hier auf dem Land und sah dem Wind beim Wehen zu.“
„Das ist nicht wahr“, widersprach Susan entschieden und verteidigte Jon. „Er hat auch Wohnungen in London, New York und L.A.“
„Armer Junge“, bemerkte Brett trocken.
„Armer Junge, in der Tat!“ schnaubte V.J. verächtlich, als sie hereinkam, und wuschelte Brett die Haare. „Als würdest du finanziell darben nach deinem neuen Vertrag!“
Brett lächelte verlegen. „Okay, also ich bin auch kein armer Junge. Im Moment ist das Glück mir hold. Und ich werde demnächst richtig reich sein. Du solltest mich wirklich wieder heiraten, Sabrina.“
„Keine Chance, fürchte ich.“
„Dann schlaf mit mir. Männer zeigen sich gegenüber ihren Geliebten immer äußerst großzügig. Und wir waren gut zusammen oder?“
Susan und V.J. starrten sie geradezu an.
„Brett!“ empörte sie sich.
Er ignorierte ihren Protest und wandte sich stattdessen wieder Susan zu. „Ich staune, dass du Jon heute so verteidigst. Dabei warst du damals absolut überzeugt, dass er Cassie umgebracht hatte.“
„Sei nicht albern. Er war doch draußen, als sie stürzte.“
„Er könnte jemand angeheuert haben, es für ihn zu erledigen“, erwiderte Brett und zog die Brauen hoch.
„Ist das nicht ziemlich taktlos, wie wir hier herumsitzen und darüber debattieren, ob unser Gastgeber ein Mörder ist?“ fragte V.J.
„Schließlich ist dies eine Krimi-Woche“, hielt Brett dagegen.
Wie aufs Stichwort kam Camy Clark mit einem Stapel Briefumschlägen in den Raum. „Guten Morgen allerseits.“
„Allerseits ist nicht da“, entgegnete Susan schnippisch.
Sabrina fragte sich stirnrunzelnd, warum Susan ständig derart ruppig zu Jons Assistentin sein musste. Camy störte niemand, sie war zurückhaltend und trat kaum in Erscheinung.
„Es ist zwar noch früh“, begann Camy, „aber wenn Sie wollen…“
„Ah, Sie haben unsere Rollenbeschreibungen und Anweisungen“, fiel Brett ihr ins Wort und schenkte ihr ein hinreißendes Lächeln.
Camy errötete lächelnd. „Ja, in der Tat. Denken Sie bitte dran, jeder darf zwar erfahren, welche Rollen die anderen spielen, aber mehr auch nicht. Im Verlauf des Spiels erhalten Sie weitere Anweisungen. Der Mörder kennt natürlich seine Rolle als Täter und weiß, wo er die Mordwerkzeuge bekommt. Und denken Sie auch daran, dass der Mörder einen Komplizen haben kann. Wer getötet wird, lebt als Geist weiter und darf die übrigen Mitspieler vor drohender Gefahr warnen und helfen, das Rätsel zu lösen.“
„Ich sterbe vor Neugier auf meinen Umschlag“, sagte Susan mit Betonung auf dem Wort sterbe.
Die anderen lachten. Als Camy begann, die Umschläge zu verteilen, kamen immer mehr Mitspieler in die Halle. Anna Lee sah hinreißend aus in Keilhose und schulterfreiem Top. Reggie trug das unvermeidliche geblümte Kleid. Tom Heart, groß und würdevoll, war in Jackett mit Flanellhose gekleidet. Thayer Newby kam in salopper Hose und einem T-Shirt. Joe Johnston war leger in Golfhemd und Baumwollhose gekleidet. Joshua Valine sah nach Künstler aus in einem Jeanshemd mit Farbspritzern,
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