Mörderspiel
sie, keine Möglichkeit zu haben, sein Zimmer von außen abzuschließen. Zwar war bisher nichts wirklich Schlimmes geschehen, doch die Gewissheit, dass er eingeschlossen war, hätte sie beruhigt. Er schlief, und sie prüfte Atmung und Puls. Mit geschlossenen Augen, das Gesicht entspannt, wirkte er seltsam unschuldig. Fast wie ein kleiner Cherubin.
Sie küsste ihn auf die Wange und zog sich zurück.
Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, bedrückt, dass sie ihren Exmann so schutzlos zurücklassen musste. Sobald sie die Tür geschlossen und verriegelt hatte, stutzte sie.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
Sabrina fuhr erschrocken herum und hätte fast aufgeschrien, doch es war Jon. Wieder blickten diese schillernden Augen sie finster, zornig und argwöhnisch an.
„Bist du zu deinem Ex zurück?“ fragte er vorwurfsvoll.
„Du! Du hast es gerade nötig, mich zu belehren, wo…“
„Ich belehre dich nicht. Ich frage nur. Du warst gerade bei ihm, richtig?“
Sie biss die Zähne zusammen und ärgerte sich über seinen kühlen und maßregelnden Blick. Was trotzdem nicht verhinderte, dass sie Sehnsucht nach Jon empfand.
„Er schläft fest. Ich habe mir nur Sorgen um ihn gemacht.“
„Warum?“
„Ich weiß nicht recht. Du hast gesagt, wir sollten uns alle einschließen über Nacht. Ich kann seine Tür nicht verriegeln.“
„Ach so.“ Er sah sie noch einen Moment an, wie um sich zu vergewissern, dass sie die Wahrheit sagte, ließ sie los und ging in den Flur. Sabrina folgte ihm und sah zu, wie er einen Schlüssel aus der Bademanteltasche holte, in Bretts Türschloss steckte und drehte.
Verwundert versuchte sie, die Tür zu öffnen. Sie war verschlossen. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte Jon: „Das ist der Hauptschlüssel.“
„Weil du der Schlossherr bist.“
„Natürlich.“
„Und es ist dein Schloss, richtig? Wie konnte ich das nur vergessen?“
„Ich weiß nicht. Wie konntest du?“
Sie wandte sich ab und kehrte in ihr Zimmer zurück. Ehe sie die Tür schließen konnte, kam auch Jon herein und schloss und verriegelte sie hinter ihr.
„Diese ganze Woche dreht sich also in Wahrheit darum, den Killer deiner Frau zu fassen“, begann sie. „Du weißt, Jon, dass nicht wenige dich dafür halten.“
„Keiner, der bei klarem Verstand ist.“
„Du hast die Möglichkeit, dich zu jedem von uns zu schleichen, ob wir deine Gesellschaft wünschen oder nicht.“
„Heißt das, du möchtest, dass ich gehe?“
Sabrina sah ihm kurz in die Augen und senkte den Blick. „Warum hast du mir das mit Dianne nicht erzählt? Du wusstest, dass ich…“ Sie ließ den Satz unbeendet.
Er legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie spürte deren Wärme und Kraft und musste unwillkürlich daran denken, wie es sich anfühlte, wenn sie in intimer Liebkosung über ihren Körper wanderten.
„Warum ich dir nicht erklärt habe, dass sie meine Stieftochter ist und ich nicht mit ihr schlafe?“
„Du… du hättest es mir sagen können“, stammelte sie.
Jon schüttelte langsam den Kopf. „Nein, hätte ich nicht. Ich hatte ihr mein Wort gegeben, dass ich es für mich behalte. Allerdings hätte ich ihr verboten, zur Krimi-Woche zu erscheinen und ihr sogar den Hintern versohlt, wenn ich geahnt hätte, dass sie hier so eine gefährliche Nummer abzieht.“
„Du magst sie sehr“, stellte Sabrina fest.
„Natürlich. Sie war noch ein ängstliches, verunsichertes Kind, als ich sie damals kennen lernte. Sie kannte ihren Vater nicht, und die Mutter wurde ihr vorenthalten. Ich habe sie von Anfang an gemocht. Auf der Suche nach ihrer Identität hat sie alle möglichen Dummheiten angestellt. Aber sie hat auch hart an sich gearbeitet. Auch wenn es nicht danach aussieht, sie ist eine patente junge Frau geworden.“
Sabrina nickte mit gesenktem Kopf. „Dianne ist also deine Stieftochter. Und Anna Lee…?“
„Anna Lee hat Cassie verführt. Und Cassie war glücklich, verführt zu werden. Sie wollte schockieren und aufreizen. Sie dachte, ich wäre an Anna Lee nicht nur als Freundin und Kollegin interessiert.“
„Und sie irrte sich?“ Sabrina hob den Blick.
Er nickte, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Das Gerücht besagt, dass du während der letzten Krimi-Woche mit einem der weiblichen Gäste eine Affäre hattest. Mit V.J. vielleicht?“ Sie dachte an ihre schöne ältere Freundin, die damals noch verheiratet gewesen war. Aber es waren schon seltsamere Dinge auf Erden geschehen, als dass
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