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Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Titel: Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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die hinter Ingas Häuschen lag. Harrys nahm den Aufstieg in Angriff, seine Füße sanken tief in den Sand und erschwerten sein Vorankommen, aber noch immer gab es kein Lebenszeichen seiner Verfolger. Das war jedenfalls nicht das Schlechteste, was passieren konnte.
    Er kämpfte sich weiter. Bis zum Dünenkamm war es nicht mehr weit. Von dort oben konnte er sich aussuchen, wohin er floh. Die Strandlandschaft im Umland von Westenschouwen war nicht üppig, aber ein paar Verstecke gab es schon, man musste sich nur auskennen und Harry hatte mittlerweile zehn Jahre hier zugebracht. Das war ein großer Vorteil, den er nur nutzen musste.
    Er riskierte einen Blick über die Schulter, sah Ingas Häuschen in einem Abstand von mittlerweile gut zweihundert Metern. Die Lichter waren überall gelöscht worden und es war unmöglich von hier aus zu erkennen, ob sich noch irgendwer dort bewegt. Er riss den Blick wieder nach vorn und setzte die Flucht fort. Er musste sich zwingen, nicht an Inga zu denken, die mit einer Kugel in der Brust in ihrer Küche lag. Er durfte sich jetzt nicht vorstellen, dass sie wohlmöglich starb oder bereits gestorben war. Die Trauer würde später von alleine kommen. Es war nicht notwendig, sie jetzt heraufzubeschwören, damit sie Herz und Beine zusätzlich schwer machte. Je weiter er wegkam, bevor die Erschöpfung ihn zum Pausieren zwang, desto besser …
    Es dauerte nicht allzu lange.
     
    ***
     
    Adrenalin pumpte durch Harrys Körper und verhinderte zunächst, dass er die rasche Ermüdung seiner Muskeln spürte oder die Unterversorgung mit Sauerstoff, weil seine Lungen anfingen zu krampfen. Aber dieser Trick der Natur in Kampf- und Fluchtsituationen hielt bei keinem sehr lange an. Wenn der Körper sein Pulver verschossen hatte, gab es keine Zugabe mehr und Harry hatte definitiv alle Reserven aufgebraucht.
    Keuchend erreichte er den Gipfel der Düne. Mittlerweile trennten ihn gut fünfhundert Meter von dem Ausgangspunkt seiner Flucht. Hier oben musste er jedoch stehen bleiben und der Anstrengung der letzten Minuten Tribut zollen. Er stützte beide Hände auf der Rückenlehne der kleinen Bank, sein Körper war vollkommen erschöpft. Der Atem rasselte und quiekte, während sich seine Brust schnell hob und senkte, viel zu schnell. Seine Oberschenkel zitterten und drohten jeden Augenblick nachzugeben. Sie brannten wie Feuer. Harry blinzelte, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er wischte ihn weg, keuchte, hustete, blinzelte erneut und erlitt mit dem nächsten Wimpernschlag eines Augenblickes den Schock seines Lebens.
    Ohne Vorwarnung wuchs direkt vor seinen Augen eine dunkle Gestalt aus dem Boden. Sie wurde größer und größer, bis sie in voller Größe vor Harry stand, der sich noch immer an die Bank krallte.
     
    „Hallo Harry“, sagte Andrej ungerührt und machte einen Schritt auf ihn zu. Erst jetzt bemerkte Harry, vor der Bank liegend, ein Gewehr mit aufgesetztem Schalldämpfer und Präzisionsfernrohr. Daneben im Sand, völlig regungslos mit totem Blick in Richtung Himmel, lag Ari Sklaaten . Andrej musste von hier oben die Schüsse auf Inga abgegeben und sich   danach die Lauer gelegt haben. Auf diese Weise hatte er ganz einfach darauf gewartet, dass Harry ihm in die Arme lief, was für ein unglücklicher Zufall. Harry starrte abwechselnd auf das Gewehr, Ari Sklaaten und Andrej Illic . Geistesgegenwärtig hätte er eventuell nach der Waffe greifen können, aber für einen schnellen Schuss auf kurze Distanz war sie ohnehin nicht ausgelegt. Es war aber auch schlicht und einfach so, dass Harry nach der Anstrengung und dem erlittenen Schock nicht in der Lage war, einen Muskel zu bewegen oder überhaupt irgendwie zu reagieren.
     
    Andrej schien das zu wissen. Er machte sich erst gar nicht die Mühe nach der Waffe zu greifen oder etwas Gewichtiges zu sagen. Er lächelte nur dümmlich, weil er trotz seines schlichten Gemüts begriffen haben musste, dass Harry nicht im Stande war, ihm gefährlich zu werden.
     
    „Hab‘ dich hier hochkommen sehen, Harry. Bist immer noch die alte Sportskanone von damals. Heute laufen mir irgendwie alle Idioten direkt in die Arme. Was für ein Glückstag“, sagte er vergnügt im Plauderton.
     
    Harry erwiderte darauf nichts. Er bekam immer noch kaum genug Luft, um seinen Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Währenddessen hantierte Andrej, wie selbstverständlich, an seiner Ausrüstung herum, bis er fand, wonach er suchte. Schwungvoll zog er einen Stab

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