Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
erzählt?“
    „Ihr zwei seid eins“, zischte Ari. Sein Speichel traf Inga an der Stirn. Ungerührt wischte sie ihn weg.
    Harry verstand nur Bahnhof. Monica schien es ähnlich zu ergehen.
    Worüber redeten die beiden?
    „Ist das so?“, fragte Inga und setzte sich auf den nahen Stuhl.
    „‘s gibt keine andere Erklärung. Harry sagte, du seiest tot; erschossen. Wenn man dich anguckt, könnte man denken, er ist ein Lügner.“
    „Nein, er ist kein Lügner, Ari.“
    „Also ist es so!“
    Inga schüttelte den Kopf. Harry und Monica verstanden mit jedem gewechselten Wort weniger. Und weder die Blumenhändlerin noch der verrückte Koch taten ihnen den Gefallen und erklärten, was dort gerade zwischen ihnen geschah.
    „Es ist nicht so einfach“, sagte Inga.
    „Dann erklär’s uns. Ich wette, Harry is‘ scharf drauf, zu erfahren, was hier los ist. Los schon!“
    „Ari, du bist aufgedreht. Sie ist immer noch in deinem Kopf und versucht, dich zu manipulieren. Versuch, ruhig zu bleiben.“
    „Ruhig? Ruhig!? Ich war lange genug ruhig. Bin jetzt ruhig. Ganz die Ruhe selbst!“, schrie Ari, sprang in Richtung Küchenanrichte und schlug mit der flachen Hand auf die glatte Holzfläche. „Hättest du es mir damals gesagt, wär‘ alles anders gekommen. Mein ganzes Leben hätte es geändert.“
    „Ich habe damals versucht, dich davon abzubringen, dein Restaurant dort zu errichten.“
    „D u wusstest, dass man sie nicht für immer wegsperren kann. Wusstest, dass sie irgendwann wiederkäme.“
    „Nein, Ari, das stimmt nicht. Ich wusste nicht …“
    „Lügnerin!“, heulte Sklaaten, sprang wild auf und ab und schlug weiter auf die Anrichte ein.
    „Schon als Kind war dir klar, dass sie etwas in dieser Welt gelassen hatte. Etwas, dass sie an dem Tag verlor, als sie dich holen kommen wollte.“
    „Nein, Ari, auch das stimmt nicht“, entgegnete Inga. Das Lächeln war unterdessen von ihren Lippen gewichen und hatte einem grüblerischen sowie besorgten Ausdruck Platz gemacht.
    „Dann erzähl mir, wie es wirklich war. Oder besser: Erzähl uns, wieso du nicht blutend und sterbend auf dem Küchenboden liegst . Hätte nach Harrys Berichten der Fall sein müssen. Oh ja. Was ist der Grund? Der Grund für das alles, Inga Heemstedde?“
    Inga seufzte. Sie wandte den Blick von Ari ab, dann schaute sie hinüber zu Harry und Monica.
    „Es ist schwierig und wir haben nicht die Zeit für ausschweifende Erklärungen“, sagte sie. Dafür wurde sie von Ari gleich wieder angefahren.
    „Das war und ist es bei dir immer! Die Zeit nehmen wir uns , und wenn es nur eine kurze Erklärung wird.“
    Inga verschränkte die Arme vor der Brust. Sie senkte den Blick und starrte sekundenlang auf den Fußboden, als suchte sie dort nach einer passenden Antwort. Als sie den Kopf hob, stand ihr eine tiefe B itterkeit ins Gesicht geschrieben, die sie älter denn je erscheinen ließ.
    „Wollt ihr euch nicht lieber setzen?“, fragte sie in die Runde. „Es wird eine Weile dauern und etwas von der Zeit kosten, die wir eigentl ich nicht haben, dennoch: Ari hat recht. Es ist an der Zeit, einige Dinge zu erklären.“
    Harry stutze. Im Leben hatte er nicht damit gerechnet, dass irgendein Mensch Inga Heemstedde je zu irgendetwas bringen konnte, das sie ursprünglich nicht hatte tun oder erzählen wollen. Genau das passierte augenscheinlich gerade.
    Stumm suchte er sich einen der Stühle in der Küche und ließ sich darauf nieder. Das Möbelstück knarrte unter seinem Gewicht, blieb jedoch stabil. Monica setzte sich wieder auf den Platz, den sie eingenommen hatte, ehe Ari und Harry hereingekommen waren. Nur Ari Sklaaten blieb an die Anrichte gelehnt stehen und ließ Inga dabei nicht aus den Augen.
    Die alte Blumenhändlerin stand auf. Und während sie sich einen Tee zubereitete, begann sie leise zu erzählen.
     
    ***
     
     

Kapitel 8
     
     
    Herbst 1952
    Ihr Vater hatte die Tür des kleinen Zimmers von außen verschlossen. Inga saß allein auf ihrem Bett, das Lieblingskuscheltier (ein alter, sehr mitgenommener Bär) und ihre Puppe Susi fest an sich gedrückt. Sie zitterte. Die Dinge, die sie vor nicht einmal einer Stunde erlebt hatte, erfüllten sie mit Furcht. Sie war unendlich müde, doch sobald sie die Augen schloss, war das Gesicht der Frau, die aus dem Wasser gekommen war, um sie zu holen, wieder da. Und mit ihr die kehlige Stimme sowie der Geruch von Fäulnis und Verwesung.
    Inga war zehn Jahre alt. Sie war eigentlich zu jung, um zu verstehen, was

Weitere Kostenlose Bücher