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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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gegenseitig anschrien. Und unter gar keinen Umständen wollte sie, dass sie sich wegen ihr stritten. Ungerührt blieb sie auf ihrem Stuhl sitzen.
    Als die Mutter jedoch mahnend den Zeigefinger hob und mit Nachdruck von ihr forderte, endlich auf ihr Zimmer zu gehen, verließ die kindlich trotzige Courage sie bald und sie tat, wie ihr geheißen … zumindest annähernd.
    Inga stieg die Treppe ins Obergeschoss h inauf, öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und schloss sie lautstark. Dann legte sie sich flach auf den Fußboden, wartete ein paar Minuten und kroch schließlich leise zurück bis zum Treppenansatz.
    „Nein, Pat. Nein. Ich halte das nicht mehr aus“, hörte sie ihre Mutter sagen. Die Stimme klang hysterisch und bebte.
    „Wir müssen es wenigstens versuchen. Auch wenn uns keiner glaubt. Vielleicht ist das die einzige Chance. Ich habe alles mitgebracht. Schau hier. Die Aufzeichnungen sind eindeutig. Und es passt dazu, was Inga uns erzählt hat. Vielleicht hat sie …“
    „Hör auf damit! Der Arzt sagt, wir müssen alles vermeiden, was sie in ihren Fantasien ermutigen würde. Weißt du denn eigentlich, wie schrecklich das ist? Hast du sie in den letzten Tagen beobachtet? Hast du ihr nur einmal zugehört, wenn sie redet, während sie schläft? Oder mitbekommen, dass sie anfängt, lauthals zu singen, bis sie die Wörter beinahe herausschreit?“
    „Inga singt?“, fragte ihr Vater erstaunt und lieferte damit Antwort genug.
    „Ich habe gestern beim Einkaufen mit Doktor Steenberg gesprochen. Er glaubt, dass ihr Bewusstsein versucht, zu verdrängen, was ihr am Strand wirklich widerfahren ist. Ihr Gehirn spielt verrückt. Es macht ihr Dinge vor, die nicht existieren. Sie redet im Schlaf mit jemandem und quiekt und kreischt wie ein Tier und sie wacht dabei nicht auf. Es ist grausam, Pat. Ich habe Angst um sie. Doktor Steenberg sagt, es sei vielleicht das Beste, sie für einige Zeit in eine Nervenheilanstalt zu bringen und …“
    „Du hast das alles dem Doktor erzählt und mir erzählst du erst jetzt davon?“, fuhr Ingas Vater sie an.
    „Ich will nur das Beste für unser Kind. Versteh das doch.“
    „Und das Beste ist, sie in eine Irrenanstalt zu stecken?“, fragte er verächtlich, erhielt jedoch keine Antwort.
    Ein Schweigen setzte ein. Eines der Art, die einem einen unangenehmen Schauer über den Rücken treiben, weil man weiß, dass am Ende eines solchen Schweigens eine wegweisende, unumkehrbare Entscheidung fallen wird. Und je länger sich dieser Augenblick hinzieht, in dem man auf das Unausweichliche wartet, desto quälender und unbehaglicher wird er.
    Der Augenblick, den Inga auf dem Boden liegend nahe der Treppe verbrachte, wurde zu einem unerträglichen, vielleicht dem unerträglichsten ihres Lebens.
    Das eigene Herz hüpfte in ihrer Brust auf und ab. Die Hände kribbelten. Ihre Finger krallten sich gespannt in das Holz des Fußbodens. Das Atmen fiel ihr schwer.
    Sie erinnerte sich zwar nicht mehr genau, woher, dennoch: Sie hatte von den Einrichtungen für Geisteskranke gehört. Und alles, was sie gehört hatte, war der blanke Horror gewesen. Leere, weiße Räume mit vergitterten Fenstern. Betten mit Lederriemen, an die man gefesselt wurde, wenn man nicht tat, was Pfleger und Ärzte sagten. Kinderschreie, die nachts durch die Gänge hallten. Kinder die nach ihren Eltern oder um Hilfe riefen und von den Pflegern einfach ignoriert wurden …
    „Sie werden kommen und dich dort einsperren, Inga“, machte sich die Stimme in ihrem Kopf bemerkbar. Inga schüttelte heftig den Kopf.
    Nein, nein, nein , dachte sie.
    „Wir wissen beide, dass es so ist, Kleines. Du bist wahnsinnig. Alle halten dich f ür verrückt und das bist du …“
    „Nein, du bist nur in meinem Kopf. Es gibt dich gar nicht. Ich höre dich nicht. Höre dir gar nicht zu“, flüsterte Inga verzweifelt und wand sich auf dem Boden hin und her.
    Im Erdgeschoss hatte noch immer niemand ein Wort gesprochen. Jetzt endlich ergriff der Vater das Wort und gab ihr die Gelegenheit sich darauf zu konzentrieren.
    „Bevor du unsere einzige Tochter in die Hände dieser Nervenärzte gibst, lass es mich dir wenigstens erklären …“
    „Pat, ich …“
    „Lass es mich versuchen, nur versuchen.
    Abermals entstand eine Pause. D iesmal jedoch vernahm Inga ein Schluchzen und dazwischen das wimmernde, leise „Okay“, das über die Lippen ihrer Mutter kam.
    „Unsere Tochter ist nicht verrückt. Ihr ist etwas unfassbar Schlimmes passiert. Wenn wir sie jetzt

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