Mohnblumenmond (Gay Urban Romance) (German Edition)
jedoch wählte, schluckte er eine weitere Tablette.
Die Stimme des ihm unbekannten Mannes, der sich am anderen Ende der Leitung meldete, hörte sich erstaunlich sanft und sympathisch an. Seine Mutter hatte ja schon öfter behauptet, dass er sein Gesangstalent von seinem Vater geerbt hatte. Sie selbst sei völlig unmusikalisch. Diese letztere Tatsache konnte er allerdings bestätigen. Nach ein paar Höflichkeitsfloskeln wollte Richard Weidner wissen, ob Julian denn mit seinem Management zufrieden sei. Julian bejahte das. Dann rückte sein Erzeuger endlich mit der Sprache heraus: er selbst würde gerne seinen Sohn in Zukunft managen wollen. Schließlich habe er genug Erfahrung im Musikgeschäft als Studiogitarrist sammeln können und derzeit arbeitete er als Musiklehrer am Städtischen Gymnasium.
Zu mehr hat es bei dir wohl nicht gereicht. Du hast ja keine Ahnung, was in unserem Geschäft abgeht. Julian reagierte ärgerlich, ja empört auf diesen Vorschlag. Obwohl er Bodo Hallmann nicht gerade als den feinsten und aufrichtigsten Menschen unter der Sonne empfand, so lehnte er es doch ab, seinen ihm völlig unbekannten Vater plötzlich in sein Leben zu integrieren. Eine Mischung aus Abscheu und Argwohn stieg in ihm hoch.
„Vergiss es“, sagte er entschieden. „Du gehörst nicht in mein Leben und erst recht nicht in meine Karriere. Und hör auf, meine Mutter zu belästigen.“ Dann legte er auf.
Offenbar hatte Chris doch recht gehabt und Richard war hinter seinem Geld her. Die Prozente aus einem Management seines erfolgreichen Sohnes würden ihn zu einem reichen Mann machen! Das konnte diesem Schuft so passen. Erst seine schwangere Mutter als Teenager im Stich lassen und dann nach all den Jahrzehnten plötzlich auftauchen und den Schmarotzer spielen. All die Emotionen, die er als vaterloser kleiner Junge bei den Hänseleien seiner Mitschüler empfunden hatte, rasten durch seinen Kopf. Erinnerungen, die er längst vergessen glaubte, tauchten in seinem Hirn und seinem Herzen auf wie aufgeschwemmte Wasserleichen. Hasserfüllt blickte Julian auf sein Handy, als wäre das sein Vater, doch das schwarze Display spiegelte nur sein eigenes Gesicht wider. Wie automatisch griff er zu der kleinen weißen Dose auf seinem Nachttisch.
Als Chris ein paar Stunden später erneut in Julians Zimmer trat, um sich mit ihm zu versöhnen, lag sein Freund bewusstlos auf dem Boden.
* * *
Der Notarztwagen vor der Bandvilla lockte Schaulustige und die Presse auf den Plan. Jeder wollte einen Blick oder ein Foto auf das Geschehen erhaschen. Julian wurde auf einer Bahre ins Städtische Krankenhaus verbracht. So was war immer eine Schlagzeile wert, vor allem nach dem Tod von Julians Vorgänger. Die Presse erging sich in Spekulationen über seinen Zustand. Für Okon und Chris hieß es abwarten.
Popsänger Julian Kossler im Krankenhaus.
Burnout - Der Fluch der Popularität und
Julian Kossler zusammengebrochen. Lösen Poppy Moon sich auf?
titelten die Boulevardzeitungen am nächsten Morgen und bezogen sich natürlich dabei auch auf den mysteriösen Unfall, der die Gruppe schon einmal fast auseinandergerissen hätte. Bodo Hallmann runzelte die Stirn, als seine Mitarbeiterin ihm die reißerischen Zeilen präsentierte. Doch dann dachte er: „ Besser solche Werbung als gar keine. Sowas kann die Verkäufe durchaus fördern.“
Die Stimmung bei Chris und Okon am Frühstückstisch war dagegen eher niedergeschlagen. Auch vor ihnen türmten sich die Zeitungen. Sie aßen schweigend, bis Chris´ Mutter auf dem Handy anrief. Okon saß ihm gegenüber und konnte die Unterhaltung nur bruchstückhaft verfolgen, doch ihm entging nicht, dass der blonde Sänger zunehmend nervös und kurz angebunden wirkte. Nachdem er seine Mutter verabschiedet hatte, stand Chris vom Frühstückstisch auf, obwohl er noch nicht aufgegessen hatte. „Ich muss los“, sagte er nur und rief in einem zweiten Telefonat den Fahrer an.
„Wohin denn so früh?“
„Zum Krankenhaus.“
„Denkst du wirklich, es wäre sinnvoll, da mit unserer Limo vorzufahren? Die erkennt man doch von weitem“, fragte Okon. Das auffällige Fahrzeug mit den abgedunkelten Scheiben war gut für PR-Aktionen aber bestimmt nicht, um mal so eben in die Stadt zu fahren. Aber Chris wusste, was er tat. „Quatsch, ist nur ein Ablenkungsmanöver. Der Fahrer soll losfahren, nachdem mich jeder Reporter durch seine Kamera hat einsteigen sehen. Ich schleich mich aber vorher wieder raus, und
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