Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
kennt sie nur trockene, verbrannte Erde. Als die Kinder merken, dass Amal sich gerne im Garten aufhält, sind sie nicht mehr aus dem Haus zu bekommen.
Den Hausherrn sieht Amal nur selten. Er geht morgens aus dem Haus und kehrt abends zurück, manchmal ist er auch ein paar Tage unterwegs. Er ist Diplomat für irgendein afrikanisches Land, weiß Amal, wenn sie auch nicht genau weiß, was das Wort Diplomat bedeutet. Er ist meistens netter zu Amal als seine Frau, doch manchmal brüllt er sie an, wenn sie etwas falsch gemacht hat, ein paar Mal schlägt er sie auch. Einmal kommt er spätabends nach Hause, Amal begegnet ihm in der Küche, er wirft ihr einen eigenartigen Blick zu, dann greift er ihr plötzlich zwischen die Beine und zieht sie mit hartem Griff zu sich heran. Sie spürt seinen Alkoholatem, er versucht, sie zu küssen, sie presst die Lippen fest zusammen. Lass’ meinen Mann in Ruhe, du kleine Hure, schimpft die Hausherrin, die gerade die Küche betritt. Er lässt Amal los. Ich wollte nichts, beteuert sie, er … Halt den Mund, unterbricht sie die Hausherrin und schlägt ihr ins Gesicht, sodass Amal aus der Nase blutet.
Amal möchte zurück zu ihrer Familie, zurück nach Afrika. Doch die Hausherrin hat ihr gleich am ersten Tag den Pass abgenommen. Für die Anmeldung, lautete die Begründung, wir bewahren ihn für dich im Safe auf, sagte sie dann ein paar Wochen später, als Amal danach fragte. Amal überlegt, einfach wegzulaufen, doch sie weiß nicht wohin, sie kennt niemanden in der Stadt, sie hat kein Geld, sie spricht kein Wort Deutsch.
Bald danach wird dem Dienstmädchen gekündigt, von da an muss Amal noch mehr arbeiten. Wenn Gäste im Haus sind, gibt es besonders viel zu tun, und es kommen oft Gäste. Zwei oder drei Mal versucht sie in gebrochenem Englisch, einen Gast auf ihre missliche Situation aufmerksam zu machen, doch vergeblich.
Es vergehen Monate, es vergehen Jahre. An manchen Tagen ist das Leben ruhig und beinahe schön, an anderen wieder kaum zu ertragen. Amal lernt, die schlimmen Dinge an sich abgleiten zu lassen. Eines Tages werden Dutzende von großen Kartons vom Dachboden geholt, die Hausherrin beginnt, Papiere und Bücher und Kleider und Geschirr einzupacken, Amal muss ihr dabei helfen. Das geht dich nichts an, antwortet die Hausherrin, als Amal nach dem Grund dafür fragt. Wir gehen nach Japan, verrät der Sohn, wir werden im obersten Stockwerk des höchsten Gebäudes von Tokyo wohnen, mit Dachterrasse und Swimmingpool. Die Schränke leeren sich, eines Tages steht ein großer Lastwagen vor dem Haus, um einige Möbelstücke und die meisten Kartons mitzunehmen. Und dann wacht Amal eines Morgens etwas später als sonst auf, es ist still im Haus, sie geht nach oben, niemand ist in der Küche oder im Esszimmer, sie geht hinaus auf die Terrasse, ruft nach den Kindern, sucht sie in ihren Zimmern, ruft nach der Hausherrin, doch niemand antwortet. Auf dem Küchentisch liegt Amals Pass, daneben ein Hundert-Euro-Schein. Was im Kühlschrank ist, kannst du essen, steht auf einem Stück Papier. Amal wendet den Zettel, die Rückseite ist leer. Und dann nimmt sie ihren Pass und den Geldschein, holt aus ihrem Zimmer ein paar Kleidungsstücke und einige andere Dinge, die ihr gehören, und packt sie in eine Tasche. Sie hört, wie die Haustür hinter ihr zufällt, sie dreht sich nicht um, und dann öffnet sie das Gartentor und tritt hinaus auf die Straße.
Was macht dein Traum, fragt mich Pitra, nachdem ich meine Geschichte zu Ende erzählt habe. Ich werfe ihr einen Stirnrunzelblick zu, ich kann mich nicht erinnern, ihr je von irgendeinem meiner Träume erzählt zu haben. Welcher Traum, frage ich unschuldig. Die Schwarze Köchin antwortet nicht, sondern fährt ohne aufzublicken fort, Figuren aus einer Illustrierten auszuschneiden. Ach so, diesen einen Traum meinst du, den ich immer wieder träume. Sie reagiert nicht. Ja, das ist komisch. Die Geschichte hat nichts mit mir zu tun, ich weiß nicht, warum ich sie immer wieder träume. Ach, Ali, sagt Pitra seufzend und schüttelt den Kopf. Sie legt die Figuren vor sich auf den Teppich, es sind sechs oder sieben, sie legt sie nebeneinander, dann ändert sie nach einiger Überlegung die Reihenfolge. Du musst gut auf dich aufpassen, Ali. Das mach’ ich, Pitra, das mach’ ich.
20
Auch Mladko, Miras verlorener Ehemann, hat übrigens Pitras Götterküche schon entdeckt, und er wird genauso fürstlich bewirtet wie alle anderen. Er wohnt seit zwei oder drei Wochen
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