Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
Ausländerkinder fress’ ich keine, beruhige ich sie und gebe den Weg frei. Und singend ziehen wir von dannen: Ich bin ein böser Inder, ich fresse kleine Kinder, Ich bin zum Schein nur Ehemann und nehme Geld, so viel ich kann, Ich bin ein böser Taliban, ich töte euren Weihnachtsmann.
Unser nächstes Stück heißt Abschiebung für alle. Wir wählen einen Marktplatz in der Nähe unseres Hauses als Bühne, als Requisiten dienen uns ein paar Einkaufswagen aus diversen Supermärkten, ein großer Karton mit einem Einwurfschlitz für Münzen sowie ein funkelnigelnagelneuer Plastikmüllcontainer, den dankenswerterweise Zivildiener Jakob aufgetrieben hat. 1 x Abschieben 50 Cent, steht auf einem großen Schild neben dem Karton, auf dem Karton selbst sind diverse Ermäßigungen aufgelistet. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen Sie genau zu, wie man’s macht, so billig wie heute kommen Sie nie wieder zu einer Abschiebung. Wenn Sie das Geld in diesen Karton geworfen haben, suchen Sie sich einfach ihren persönlichen Schübling aus und setzen ihn in einen Einkaufswagen. Unser Sortiment ist groß, wir haben alles, was das Herz begehrt, männlich oder weiblich, jünger oder älter, hell- oder dunkelhäutig. Zu Demonstrationszwecken wähle ich Oma aus und setze sie in den Wagen. Das Ziel, meine Damen und Herren, ist dieser wunderschöne Müllcontainer hier, hier wird die Fracht abgeladen, hier ist Endstation, und wenn Ihnen das Spiel gefallen hat, dann spielen Sie einfach noch eine Runde.
Ein paar Neugierige bleiben stehen, aber ich muss noch eine Weile weiterreden und noch ein paar Demonstrationsrunden einlegen, bevor sich der erste Zuschauer drübertraut. Kommen Sie, meine Damen und Herren, tragen auch Sie bei zu einem sauberen Österreich, werbe ich, und nach und nach kommen die Damen und Herren und schieben, und der Container füllt sich und wird geleert und füllt sich wieder und wird wieder geleert. Und singend verlassen wir schließlich das Markttheater: Ich komme aus Afghanistan, ich mache gerne Frauen an, Ich bin ein schwarzer Afghane, ich stehl’ dir deine Banane, Ich komme aus Manila, gestatten, ich bin Dealer.
In Zeiten wie diesen darf man den Kampf natürlich nicht nur auf der Straße führen, nein, auch der virtuelle Raum will beackert sein. Gemeinsam mit Diener Jakob basteln wir einen schönen Virus, nennen ihn Rüdiger und pflanzen ihn auf den Computern diverser Politiker, Parteien und Ministerien. Sie werden abgeschoben, heißt es auf den Bildschirmen der befallenen Rechner, und ansonsten herrscht tote Beamtenhose, rien ne va plus. Geht man nach den Zeitungsberichten in den darauffolgenden Tagen, so war unsere Aktion ein voller Erfolg. In weiterer Folge beschicken wir die gleichen Adressaten dann auch noch mit einer ordentlichen Portion Spam – die heißesten Angebote von Schleppern, illegalen Prostituierten, aber auch von Rechtsanwälten und Menschenrechtsorganisationen –, und ich bin sicher, sie freuen sich über so viel Post von guten Freunden.
Aber für was ist gut, fragt Nino bei der nächsten Besprechung im Fußballzimmer. Wofür unsere Aktionen gut sind, möchtest du wissen? Sie sind gut für uns, kläre ich sie auf, sie machen Spaß. Wir steigen damit aus der uns zugedachten Opferrolle aus und machen gleichzeitig auf unser Schicksal aufmerksam. Aber bekommen wir deshalb jetzt Asyl, verfällt Nino ins Russische. Vielleicht nicht, liebe Ninotschka, vielleicht nicht, aber alles ist besser, als einfach nur herumzusitzen und zu warten, bis man ins Flugzeug gesetzt wird.
Ins Flugzeug gesetzt werden Amal und Adolphe zwar nicht, aber fort müssen sie trotzdem, zumindest aus dem Leo. Amal und Adolphe haben nun auch offiziell das achtzehnte Lebensjahr überschritten, zur Strafe für diesen Frevel werden sie aus dem Paradies vertrieben. Zwar müssen sie nicht arbeiten wie weiland Adam und seine werte Gemahlin, oder vielmehr, sie dürfen nicht arbeiten, doch sie sind von nun an auf sich allein gestellt und müssen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Der Onkel und sein Team haben Plätze für sie in einem Heim für erwachsene Asylwerber gefunden, dort gibt es niemanden mehr, der ihnen vorschreiben würde, wann sie zu lernen, nach Hause zu kommen oder ins Bett zu gehen haben. Du musst jede Woche besuchen kommen, verlangt Djamila von Amal, den Tränen nahe, sie wird von uns allen Amal am meisten vermissen. Klar, verspricht die große Schwester, du musst auch kommen, wir essen Eis. Super, freut
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