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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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wichtig für ihn. Vielleicht hat er Angst vor diesem Termin, wendet Lukas ein. Warum sollte er Angst haben? Mira blickt ihn beinahe entgeistert an. Angst, sich zu binden, an dich oder an Österreich. Da sollte eher ich Angst davor haben. Oder Angst davor, zu viel von dir zu verlangen. Mira zuckt mit den Schultern. Ich weiß nicht …

21
    Miras, Mladkos und Lukas’ Glück oder Unglück sind natürlich nur für die Wenigsten im Haus von unmittelbarem Interesse. Gesprächsthema Nummer eins, sowohl im Haus als auch außerhalb, ist die anhaltende Kältewelle. Der April geht in die zweite Hälfte, acht Grad Celsius ist das Maximum, das uns dieses Jahr bisher zu bieten hatte, an den meisten Tagen lag die Höchsttemperatur um den Gefrierpunkt oder nur unwesentlich darüber. Auf der Straße, in der U-Bahn, an den Supermarktkassen und bei sonstigen Gelegenheiten für Kleingerede ist die Kältewelle das einzige Gesprächsthema. Die Zeitungen sind voll mit Spekulationen über Ursachen, weitere Auswirkungen und mögliche Gegenmaßnahmen, im Fernsehen wird auf Dutzenden Kanälen Weltuntergangsstimmung verbreitet. Auch hier im Haus ist jeder zum Klimaexperten mutiert und bastelt sich seine eigene Theorie zusammen, und selbst Kamal, der bis vor Kurzem nicht einmal das Wort Klima in seinem Wortschatz hatte, und zwar weder auf Deutsch noch in irgendeiner anderen auf diesem Planeten gebräuchlichen Sprache, schimpft auf den bösen Golfstrom, der sich so mir nichts, dir nichts auszubleiben untersteht. Auch Verschwörungstheoretiker haben natürlich Hochsaison: Wahrscheinlich haben die Amerikaner irgendwelche Versuche gemacht, meinen die einen, arabische Terroristen hätten den Golfstrom umgeleitet, um Europa eine neue Eiszeit zu bescheren, wissen die anderen. Murad sieht in der Eiseskälte die Rache Allahs für das frevelhafte Verhalten der westlichen Welt, Oma die gerechte Strafe ihres lieben Gottes für ein Leben ohne ihn.

    Auch Dunja beschwert sich. Ist es hier das ganze Jahr so kalt, fragt sie beim Mittagessen. In Inguschetien ist es viel wärmer, und das Essen schmeckt auch besser. Sie stochert lustlos im von Khady zubereiteten Risotto herum. Wart’ erst mal ab, bis Chin wieder aus dem Urlaub zurück ist, warne ich sie vor, aber vielleicht hilft es, wenn du vor dem Essen den Kaugummi aus dem Mund nimmst. Sie ignoriert meinen Vorschlag und schiebt den Teller von sich weg. Nimmst du ihn eigentlich nachts heraus? Oder beim Küssen? Sie steht auf, schickt mir einen gelangweilten Blick aus ihren Otschi tschornie und verlässt den Raum. Hey, Teller wegräumen, ruft Tomo ihr auf Russisch hinterher. Er hat gemeinsam mit Yaya Küchendienst, doch Dunja hört ihn nicht, denn ihre Ohren sind es gewohnt, dem dahinterliegenden Prinzessinnenhirn mittels Filter allzu gewöhnliche Klänge und Ansinnen zu ersparen.
    Auf diesem Wrack kann man doch nicht spielen, sagt sie ein paar Tage später über das Instrument, das ihr der Geigenlehrer in die Hand drückt. Er heißt Paul, Mira hat ihn über eine befreundete Musikerin aufgetrieben, sie hat ihn begrüßt, hat Dunja und mich vorgestellt, Ali hat sich angeboten, zu übersetzen, erklärte sie, dann überließ sie mir das Feld zur Beackerung. Stradivari ist es natürlich keine, meint Paul nun lächelnd, nachdem ich Dunjas schon nach wenigen Strichen gefälltes Urteil in der Übersetzung ein wenig abgemildert habe. Sie wurde jahrelang nicht gespielt, erklärt er, aber ich hab’ selber darauf gelernt. Ich bin keine Anfängerin, antwortet Dunja indigniert auf meine Übersetzung, die Geige, die ich in Inguschetien hatte, war hundert Mal besser. Klar, alles war besser in Inguschetien, sage ich, aber du bist nicht mehr in Inguschetien, und du hast deine Geige nicht mehr. Sie zuckt mit den Schultern. Du bist undankbar, werfe ich ihr vor. Paul hat sich bereit erklärt, dir gratis Unterricht zu geben und dir seine Geige zu borgen, und du gebärdest dich wie eine Primadonna. Paul blickt mich fragend an. Sie weiß noch nicht, ob sie dein Angebot annehmen kann, erkläre ich, weißt du, das Ehrempfinden spielt eine sehr wichtige Rolle in der tschetschenischen Gesellschaft. Paul nickt wissend. Inguschetien, bessert Dunja mich aus, denn so viel hat sie verstanden. Sie soll sich keine Sorgen machen, ich tue das gerne, sagt der Geigenlehrer. Er soll mir was vorspielen, verlangt Dunja plötzlich. Ich soll was vorspielen, reagiert Paul überrascht, doch dann erfüllt er ihr den Wunsch und spielt einen Satz aus einer

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