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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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du auch nicht schlafen? Doch, doch, versichere ich, ich kontrolliere nur, ob im Haus alles in Ordnung ist. Und jetzt gönne ich mir noch ein bisschen Tee. Nino ist auch in der Küche, sagt Yaya, dann verschwindet er Richtung Zimmer.
    Nino sitzt an einem der beiden langen Tische in der Küche und nippt gedankenverloren an einer Teetasse. Was machst denn du hier, frage ich überrascht. Nino den Schlaf oder den Appetit zu rauben, ist nämlich so gut wie unmöglich. Weiß nicht, antwortet sie mit heiserer Stimme. Sie räuspert sich. Mein Magen fühlt sich komisch an. Ich betrachte sie kurz durch Dr. Idaulambos randlose Brille, sie sieht tatsächlich bleich aus und hat Ringe unter den Augen, die Pupillen sind geweitet, der Puls wahrscheinlich erhöht. Ich muss irgendetwas Verdorbenes gegessen haben, sagt sie und weicht meinem prüfenden Blick aus. Bist du schwanger, fragt Dr. Idaulambo sie geradeheraus und ganz ohne mein Zutun. Trottel, schimpft sie, doch plötzlich fängt sie zu weinen an. Einen Augenblick lang bin ich rat- und sprachlos. Viele Tränen sind hier im Haus schon geflossen, viele meiner Mitbewohner habe ich schon weinen sehen – aber Nino? Wie ist das passiert, frage ich bestürzt. Ich weiß auch nicht, schluchzt sie, wir haben ein Mal nicht aufgepasst, an einem Tag, wo eigentlich gar nichts passieren konnte. Wer ist wir, will Dr. Idaulambo fragen, doch diesmal schneide ich ihm das Wort ab. Was soll ich jetzt tun, fragt sie. Ich überlege eine Weile. Bist du ganz sicher, dass du schwanger bist? Sie nickt. Weiß schon irgendjemand anderer davon? Sie schüttelt den Lockenkopf. Auch der Vater des Kindes nicht? Vater, stößt sie verächtlich hervor, natürlich nicht! Warum das natürlich sein soll, ist mir nicht ganz klar, doch ich dringe nicht weiter in sie. Was soll ich tun, fragt sie erneut. Du musst dir klar werden, was es wirklich für dich bedeuten würde, plötzlich Mutter zu sein, ob mit oder ohne Vater, beantwortet Dr. Idaulambo ihre Frage, und umgekehrt musst du überlegen, wie es wäre, wenn du dieses Kind, das schon in dir zu wachsen begonnen hat, nicht mehr hättest. Nino beginnt erneut zu schluchzen. Meine Mutter war auch sechzehn, als ich geboren wurde.
    Ich stehe auf, um Tee zuzubereiten. Hast du Kontakt zu deiner Mutter, frage ich, als ich mich wieder setze. Nino schüttelt den Kopf. Ich weiß nicht mal, ob sie noch lebt. Und dein Vater? So was hab’ ich nicht, entgegnet sie rotzig. Wunderbar, dann bist du also per unbefleckter Empfängnis in diese schöne Welt gekommen? Sie nickt. Ich bin die heilige Nino, das weißt du doch. Dann wird sie wieder ernst und erklärt mir, dass sie ihren Vater, dessen Nachnamen sie trägt, nie kennengelernt hat. Und du hast nie nach ihm gefragt? Sie schüttelt den Kopf. Wozu denn, die Männer im Leben meiner Mutter waren sowieso lauter Arschlöcher. Nino kippt einen großen Schluck Tee hinunter, als wäre es Wodka. Ich will nicht so werden wie meine Mutter, sagt sie, und plötzlich rinnen wieder Tränen über ihre Wangen, ich will mich nicht von Arschlöchern ausnützen und schlagen lassen, ich will ein ganz normales Leben leben. Das wirst du, das wirst du, versucht Dr. Idaulambo sie zu beruhigen, während ich selbst meine Zweifel hege, dass es ihr, ob mit oder ohne Kind, tatsächlich gelingen wird.
    Es bleibt kalt, und die Kälte bleibt das wichtigste Gesprächsthema. Vielleicht geht Welt unter, meint Tomo düster, als in den Abendnachrichten wieder einmal ein besonders erfreulicher Bericht über die Auswirkungen der langen Kälteperiode zu sehen ist. Das ist gut, freut sich Kamal, dann es gibt kein Fremdenpolizei mehr. Das Gelächter ist groß, und es dauert eine Weile, bis ich Kamal klargemacht habe, dass es im Fall eines Weltunterganges mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch ihn nicht mehr geben würde.
    Doch ein paar Tage später kommt es zu einem Ereignis, das für eine Weile die Kältewelle in den Hintergrund drängt. Die Fremdenpolizei ist nämlich weder einem allgemeinen noch einem – von Kamals Kamelhirn ersonnenen – begrenzten Weltuntergang zum Opfer gefallen, sondern erfreut sich nach wie vor größter Lebendigkeit. Zumindest wirken die beiden Beamten, die zuerst Hans und dann uns aus dem Schlaf reißen, nicht so tot, wie man sie sich wünschen würde. Djaafar, flüstert Hans, nachdem er die Tür zu unserem Zimmer geöffnet hat.
    Es wiederholt sich, was wir bei Lius Verhaftung erlebt haben. Djaafar packt seine Sachen zusammen, jeder

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