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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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versucht, ihm Mut zuzusprechen, auch wenn er eher Wut empfindet. Hans, dem man normalerweise vor zehn Uhr vormittags nur mit allergrößter Mühe einen ganzen Satz entlocken kann, spricht pausenlos auf die beiden Beamten ein, auch er kann seine Wut nicht verbergen, doch seine Worte prallen an den ausdruckslosen Gesichtern der Beamten ab: Wir führen ja nur Befehle aus, Gesetz ist Gesetz, Dienst ist Dienst. Fieberhaft suche ich in meinen Gedanken nach einer Möglichkeit, wie ich Djaafar helfen, wie ich die Polizisten daran hindern kann, ihn mitzunehmen, genauso fieberhaft, wie ich in meinem seltsamen Traum, vor dem Küchenfenster hockend, nach einem Weg suche, meiner Mutter und meiner Schwester zu Hilfe zu kommen. Doch wie im Traum kommt mir auch in Wirklichkeit keine rettende Idee, ich bin, ich muss es zu meiner übergroßen Schande gestehen, wie gelähmt und kann nur ohnmächtig mit ansehen, wie Djaafar von den beiden Beamten zum Lift eskortiert wird.
    Das Leo wurde erneut ignoriert, die Spielregeln zum zweiten Mal gebrochen. Lius Verhaftung und Abschiebung waren ein Schock, nachdem aber zumindest bei uns im Leo Wochen ohne erneute Verhaftung vergingen, konnte man sich einreden, dass es sich um eine Ausnahme gehandelt haben müsse. Nun wird klar, dass sich das Ereignis jederzeit wiederholen kann, denn wenn es ein zweites Mal gibt, dann kann es auch ein drittes und viertes und fünftes Mal geben, und wenn es Liu und Djaafar trifft, dann kann es genauso gut Tomo, Nino, Nicoleta oder Yaya treffen.
    Wieder einmal hocke ich vor dem Küchenfenster, ich kenne schon jede Einzelheit in meinem Blickfeld, jeden Fleck an der Hauswand, jedes Loch im staubigen Fliegengitter, jeden Stein unter meinen Schuhen, und auch, was im Haus passiert und passieren wird, weiß ich bis ins kleinste Detail. Ich müsste gar nicht mehr hinschauen, und doch kann ich den Blick nicht abwenden von den Soldaten mit ihren schmutzigen Stiefeln, von meiner Mutter und meinen Schwestern, die sich vergeblich zu wehren versuchen, und ich weiß, dass ich nichts tun werde, außer vor dem Fenster zu hocken.
    Ihr habt Schande über die Familie gebracht, heißt es anschließend wieder, als sich das Haus mit Verwandten und Nachbarn und Soldaten füllt, meine Mutter und meine Schwestern, die Essen und Getränke auftragen, halten inne in ihren Bewegungen, ihre Gesichter erstarren, Schande über euch, stimmen die anderen mit ein. Ihr wisst, dass ihr nicht bleiben könnt, sagt mein Onkel, und meine Mutter und meine Schwestern beginnen zu weinen. Ali ist schuld, sagt Pitra plötzlich. Erst jetzt fällt mir auf, dass auch sie im Raum ist. Ali hat zugeschaut und nichts unternommen, erhebt sie Anklage. Stimmt das, fragt der Onkel meine Mutter. Sie nickt. Stimmt das, fragt er die Soldaten, und auch die bestätigen es. Die Blicke richten sich auf mich. Schande über dich, Schande über Ali, Er kann hier nicht bleiben, Du musst fort, sprechen alle durcheinander. Warum hast du nichts dagegen getan, fragt Pitra. Ich konnte nicht, sage ich, ich hatte Angst vor den Gewehren der Soldaten, sage ich, es ist ja gar nichts passiert, sage ich, die Soldaten sitzen hier mit uns, sie tun niemandem etwas; doch nichts von dem, was ich sage, ist für die anderen hörbar. Ali soll eine zweite Chance bekommen, meint Pitra dann. Du hast recht, sagt der Onkel, gebt ihm eine zweite Chance.
    Und dann hocke ich erneut vor dem Küchenfenster, sehe die schon bekannte Szene, zögere wieder, spüre die gleiche Angst wie zuvor, aber mit einem Mal weiß ich, was ich tun muss, und ich weiß, dass ich es tun kann. Ich richte mich auf, die Soldaten blicken zum Fenster, sie reißen ihre Waffen hoch, doch plötzlich beginnen sie zu schreien, wenden die Blicke ab, auch meine Mutter und meine Schwester schließen geblendet die Augen, ich bin plötzlich neben ihnen. Fort mit euch, rufe ich den Soldaten zu, und meine Stimme ist so laut, dass sie die Waffen fallen lassen und sich mit schmerzverzerrten Gesichtern die Ohren zuhalten, und dann sind sie fort, und wieder sind Verwandte und Nachbarn im Haus, meine Mutter und meine Schwestern kümmern sich um die Gäste, Pitra lächelt mir zu, und alle sind fröhlich und in Feierlaune.
    Und dann weiß ich, was ich zu tun habe. Es ist Zeit, einzugreifen, es ist Zeit, die Maske abzulegen, Zeit, meine wahre Identität preiszugeben. Während im Betreuerbüro und beim Onkel die Telefonleitungen heiß laufen – sie sprechen mit Rechtsanwälten, Ministerialbeamten und

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