Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
Vom Netzwerk:
Bach-Partita. Ich muss Dunja recht geben, das Instrument klingt wirklich nicht besonders, doch es ist nun mal ein geborgter Gaul. Dunja sitzt neben mir, schaut aus schweren Lidern gelangweilt in den Raum, während ihr Unterkiefer den üblichen Kaugummi bearbeitet. Sie schweigt, als Paul zu Ende gespielt hat. Ich lasse die Geige da, sagt er, während er sie in den Kasten legt und den Bogen abspannt, sie kann sie ausprobieren und sich überlegen, ob sie bei mir Unterricht haben will. Ich übersetze, während er Telefonnummer und E-Mail-Adresse aufschreibt, Dunja zuckt nur mit den Schultern. Sie wird es sich überlegen, sage ich, und ich bin ziemlich sicher, sie wird das Angebot annehmen.
    Und natürlich behalte ich recht. Dunja nimmt das Instrument auf ihr Zimmer, stellt es zunächst achtlos in eine Ecke und rührt es den Rest des Tages nicht mehr an, doch schon am nächsten Tag sind Geigenklänge im Haus zu hören. Am Anfang übt sie auf ihrem Zimmer, doch obwohl Oma und Djamila geduldig und bescheiden sind, beschweren sie sich bald bei Zakia über die Zwangsbeglückung. Von da an ist Dunjas Geigenspiel sieben oder acht Stunden pro Tag aus einem der Unterrichtsräume, aus dem Betreuerzimmer oder aus irgendeinem anderen gerade ungenutzten Raum zu hören. Du musst den Geigenlehrer anrufen, sagt sie mir nach einer Woche, und ich lächle und komme ihrem Wunsch noch am selben Tag nach.
    Und, hast du ihr schon einen Heiratsantrag gemacht, will Nino ein paar Tage später wissen, als Dunja und ich gerade die erste reguläre Geigenstunde hinter uns haben. Ich schüttle den Kopf. Was ist los mit dir, bist du krank? Ich schenke ihr ein freundliches Lächeln. Warum sollte ich ihr einen Heiratsantrag machen? Sie hat ja keine österreichische Staatsbürgerschaft. Ach so ist das, gibt sich Nino enttäuscht, und ich dachte, es geht um Liebe. Wie bei deinen Beziehungen? Rotkäppchen zeigt mir den schlimmen Finger. Deine neue Flamme geht mir auf die Nerven, sagt sie: In Inguschetien ist es besser, ahmt sie Dunjas Russisch nach, das ist alles, was man von ihr hört. Und dieses ständige Gefiedel! Ich hab’ dir schon gesagt, sie ist nicht meine Flamme. Und warum schwirrst du dann ständig um sie herum? Trägst ihre Geige? Übersetzt für sie? Ich helfe, wo man mich braucht, gebe ich zurück. Sie tippt sich an die Stirn und geht kopfschüttelnd davon. Männer, seufzt sie mit der ganzen Weisheit und Abgeklärtheit ihrer mittlerweile sechzehn Jahre, Männer!
    Eines Nachts wache ich auf, als Yaya plötzlich das Licht neben seinem Bett einschaltet. Was ist los, frage ich schlaftrunken. Kopf ist schlecht, antwortet er und tippt sich an sein Haupt. Zwar scheint Yaya in letzter Zeit keine Albträume mehr zu haben, dafür wird er oft von starken Kopfschmerzen geplagt. Er steht auf und verlässt den Raum, ich drehe mich um und schlafe weiter. Eine halbe Stunde später wache ich erneut auf, liege eine Zeit lang wach und beschließe dann, ebenfalls aufzustehen. In der Küche ist Licht, Yaya sitzt wohl noch immer dort, doch ich gehe weiter Richtung Treppenhaus, ich muss mich bewegen. Ich gehe ins Erdgeschoss hinunter, als ich unten angekommen bin, mache ich kehrt und steige, zwei Stufen auf einmal nehmend, wieder in die letzte Etage hinauf. Ich steige ein zweites Mal hinunter und wieder hinauf, im Haus ist es ruhig, nur im zweiten Stock hört man irgendwo einen Fernseher. Ich laufe auf jedem Stockwerk die Gänge ab, die beiderseits der Treppe abgehen, und plötzlich sehe ich einen Lichtstreifen unter der Tür zu Pitras Zimmer. Ist die Schwarze Köchin zurückgekehrt? Ich bleibe direkt davor stehen und lege mein Ohr daran. Das Zimmer wurde noch nicht neu vergeben, so viel weiß ich mit Sicherheit. Leise klopfe ich an die Tür. Keine Antwort. Ich klopfe ein zweites Mal. Als ich schließlich eintrete, ist das Zimmer leer. Pitras Sachen sind alle noch da, doch als ich meinen Blick über die vielen Figuren aus Papier und Holz und Glas und Plastik streifen lasse, kommt es mir vor, als ob manche davon anders positioniert wären als bei meinem letzten Besuch. Wahrscheinlich hat sich jemand die Zeit damit vertrieben, Pitras Kuriositätenkabinett neu zu arrangieren.
    Ich drehe das Licht ab, schließe die Tür hinter mir und steige wieder zu uns in den vierten Stock hoch. Auf dem Weg zur Küche kommt mir Yaya entgegen. Und, noch immer Kopfschmerzen, frage ich ihn auf Krahn. Ich hab’ eine Tablette genommen, entgegnet er, jetzt geht’s besser. Und du, kannst

Weitere Kostenlose Bücher