Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
der ebenfalls weiß gekleideten Frau Anweisungen, die sie gewissenhaft befolgt, sie scheint ihm geradezu hörig zu sein. Was machen Sie da, frage ich noch einmal, Sie blenden mich. Wir testen Ihre Reflexe, antwortet der weiße Mann, Sie waren mehrere Stunden bewusstlos. Ich wende mich nach links und nach rechts, um zu sehen, mit wem er spricht, doch da ist niemand außer mir und ihm und der weißen Frau. Ich, bewusstlos? Sie müssen mich verwechseln, ich werde nicht bewusstlos. Er lächelt. Das kann selbst dem stärksten Mann passieren. Vielleicht, aber mir sicher nicht. Wo bin ich hier überhaupt? Wie bin ich hierhergekommen? Mit der Rettung, antwortet der weiße Mann, man hat Sie auf der Straße liegend gefunden, Sie sind offensichtlich zusammengebrochen. Über die Ursachen wissen wir noch nicht genau Bescheid, da braucht es noch ein paar Tests und Befunde, aber zuerst sollten Sie sich einmal ausruhen. Er gibt der Frau noch ein paar Anweisungen, dann wendet er sich zum Gehen, sie folgt ihrem Herrn und Meister mit gebührendem Abstand.
Erst jetzt bemerke ich die Nadel in meinem Arm. Hey, rufe ich, Sie haben da was vergessen! An der Nadel hängt ein Schlauch, der Schlauch ist mit einem an einer Stange hängenden Gefäß verbunden, das Gefäß enthält eine uringelbe Flüssigkeit, sie scheint durch den Schlauch in meinen Arm zu gelangen. Ich brauche keine Katzenpisse in meinem Körper, rufe ich, doch niemand hört mich. Dann schlafe ich ein.
Als ich aufwache, beugt sich die weiße Frau gerade über mich, doch nein, es ist nicht die weiße Frau, es ist Mira, Mira, wir umarmen uns, ich bin zu Hause, endlich! Wieder schlafe ich ein, wache auf, und diesmal ist es Pitra, die über mich wacht, ich bin froh, dass sie zurückgekehrt ist, sie hat mir etwas zu essen mitgebracht, und nachdem ich gesättigt bin, schlafe ich wieder ein. Beim nächsten Erwachen begrüßt mich Sibel, dann ist es Isabel, es ist Dunja, dann Nino, dann wieder Mira und wieder Pitra, und dann kommen auch meine Mutter und meine Schwestern vorbei. Sie alle sprechen mit mir, als wäre ich krank, ich weiß nicht wieso. Es ist schön, dass ihr alle zu Besuch kommt, sage ich zu Mira und Tony, aber ich habe jetzt leider keine Zeit für solche Dinge, wir stehen am Anfang einer Revolution. Ich stehe auf. Du musst liegen bleiben, Ali, mahnen die beiden, doch ich höre nicht auf sie. Ich spüre einen stechenden Schmerz im Arm, ach, da ist noch immer diese Nadel, ich muss mittlerweile bis obenhin voll sein mit dieser gelben Flüssigkeit, wahrscheinlich fühle ich mich deshalb so eigenartig. Bitte, Ali, leg’ dich wieder hin, geben sich Mira und Tony ganz besorgt. Ich höre halb auf sie und bleibe auf der Bettkante sitzen. Und dann erinnere ich mich plötzlich.
Wo ist Djaafar, frage ich, wo ist Gülertan Dolas, was ist mit den anderen, die wir befreit haben? Befreit, fragt Mira und wirft mir einen verständnislosen Blick zu. Gülertan ist, glaube ich, bei seiner Frau, sie werden ihn sicher bald wieder verhaften, antwortet Tony bedrückt. Von Djaafar wissen wir noch nichts, der wird vielleicht untertauchen. Gut, sehr gut. Haben die Zeitungen schon darüber geschrieben, will ich wissen. Keine Ahnung, sagt Tony. Mira schweigt und blickt nachdenklich vor sich hin. Und was ist mit Nino und Nicoleta und Kamal und den anderen, die dabei waren? Wo dabei, fragt Mira. Na, bei der Befreiungsaktion, antworte ich ungeduldig, verärgert über so viel Begriffsstutzigkeit. Tony und Mira tauschen einen seltsamen Blick miteinander aus. Was soll mit ihnen sein, fragt Tony. Geht es ihnen gut, sind sie zu Hause im Leo? Ja, natürlich, beruhigt mich Mira und mustert mich, als hätte ich ihr von einem Ausflug zum Mars erzählt.
Bevor die beiden aufbrechen, bitten sie mich erneut, mich wieder ins Bett zu legen. Du hattest wahrscheinlich so eine Art epileptischen Anfall, fühlt Mira sich bemüßigt, mir zu erklären, das vermuten jedenfalls die Ärzte. So ein Unsinn, wische ich derart absurde Spekulationen vom Nachttisch. Naja, schränkt Mira ein, sie sind noch nicht sicher. Aber jedenfalls bist du sehr geschwächt und brauchst ein paar Tage Ruhe.
Als die beiden weg sind, kommt endlich wieder meine weiße Schwester, diesmal ohne ihren Herrn und Gebieter. Setzen Sie sich zu mir, meine schöne Schwester. Sie lächelt geschmeichelt, macht aber keine Anstalten, sich auf das Anstaltsbett zu setzen. Ihr Lächeln wird noch breiter, als ich sie in ihrer Muttersprache Bulgarisch anspreche, und
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