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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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die Reihen wieder dicht geschlossen sind. Mira übrigens, die mittlerweile das nächste Paar Sandalen probiert, würde nie auf solch lächerlichen Schuhen durch den Tag trippeln, sie bevorzugt Schuhwerk mit niedrigen oder gar keinen Absätzen, braves Mädchen, jawohl!
    Mira geht schließlich mit einem Schukarton in der Hand zur Kasse, auch ich begebe mich Richtung Ausgang. Wieder auf der Straße, geht Mira stadteinwärts weiter, der Plastiksack mit den neuen Schuhen baumelt fröhlich in ihrer Hand. Doch dann erst bemerke ich, dass sie die neuen Schuhe bereits angezogen hat, und was müssen meine armen Augen erkennen – es sind potthässliche orange-grüne Plastikmonster! Und was noch viel schlimmer ist – sie haben Absätze!!! Mindestens siebeneinhalb Zentimeter schweben Miras Fersen über der Straße, und sie hat plötzlich den staksigen, schwankenden Gang aller Stöckelzicken, auch sie in Tadzickistan!
    Die muss sie sich für IHN gekauft haben, durchfährt es mich plötzlich! Für Sie, Herr Lehrer, würde ich ALLES tun, Sie, Herr Lehrer, können ALLES mit mir tun, ja, das muss es sein! Im selben Augenblick greift sie wie zur Bestätigung zum Telefon. Hallo, Schatz, turtelt sie in das Mobilteil, mehr ist aus der Entfernung leider nicht zu verstehen, doch ich habe schon verstanden!
    Hallo, Schatz, sagt sie ein paar Minuten später noch einmal und küsst Alenka, ihre Tochter, auf den Mund. Schau mal, sagt Mira und streckt das rechte Bein vor, hab’ ich mir gerade gekauft. Cool, ruft das Töchterchen aus, solche möchte ich auch! Mira grinst. Das sind Schuhe für ältere Damen wie mich, nix für junge Mädchen. Stimmt ja gar nicht, protestiert Alenka, die passen mir genauso, und die Farben sind auch meine. Also dieses Argument zählt nicht, denn alle Farben sind »deine« Farben. Ich muss Mira ausnahmsweise recht geben, denn ihre Tochter liebt es kleidermäßig tatsächlich kunterbunt. Komm, sagt Mira und hakt sich beim Töchterchen ein, wir gehen jetzt erst mal essen, das hab’ ich dir versprochen. Das elterliche Ablenkungsmanöver funktioniert einwandfrei. Sushi, fragt Alenka hoffnungsvoll. Was du möchtest, gibt sich Mira großzügig.
    Nicht so schnell, Alenka, mit diesen Schuhen kann man nicht so schnell gehen, jammert Mira dann auf dem Weg von der Mariahilfer Straße zum Naschmarkt. Ha, geschieht ihr ganz recht – wer Füße steckt in Zickenböck, dem wetzt es bald die Fersen weg! Beim Lokal angekommen, finden beide einen Platz im Freien, ich postiere mich in einem Durchgang zwischen zwei Marktständen. Alenka bekommt ihr Sushi, Mira gebratene Ente mit Nudeln, Ali kriegt nichts, doch auch das ist ganz normal und nichts Neues in Ost oder West. Schlagt euch nur den Bauch voll, während mittellose Flüchtlinge rund um euch hungern, lasst es euch schmecken und beweist Charakterstärke, indem ihr euch nicht stören lasst von unserer Not und den verzweifelten Hilferufen …
    Nach dem Essen streckt Mira ihre verunstalteten Beine aus, die Wirkung des Ablenkungsmanövers lässt nach. Ich möchte auch solche Schuhe, wiederholt Alenka ihre Forderung. Was wiederum beweist, dass Menschen mit vollen Mägen nur auf dumme Gedanken kommen, ergo muss man danach trachten, möglichst viele Mägen möglichst leer zu halten, was global gesehen eigentlich ganz gut funktioniert, doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Ich hab’ dir doch erst kürzlichst neue Schuhe gekauft, versucht Mira sich herauszureden. Kürzlich, heißt das, bessert Alenka sie aus, bevor ich es tun kann, und außerdem waren das keine Sandalen, sondern normale Schuhe. Aber du hast doch Sandalen. Ja, aber die sind schon alt. Alt? Die hab’ ich dir letzten Sommer gekauft. Na eben! Und wer soll das bezahlen? Na du! Für dich selber hast du Geld, aber für mich nicht. Komm, jetzt wirst du unfair. Warum hab’ ich keinen Papa wie jedes andere Kind, sagt Alenka plötzlich mit trotziger Miene auf Serbokroatisch, dann hätten wir mehr Geld. Miras Miene verhärtet sich. Du hast einen Vater, gibt sie so eisig zurück, dass mich in meinem Versteck fröstelt. Ich horche auf. Ja, aber wo? Du sagst doch selber, dass du nicht einmal weißt, ob er überhaupt noch lebt. Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Soll ich ihn herzaubern? Alenka schweigt trotzig, zwei Tränen kullern langsam über ihre Wangen. Du tust damit nicht nur mir, sondern vor allem dir selber weh, sagt Mira kühl.
    Was machst du da, fragt plötzlich eine Stimme neben

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