Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
… hat es mit Yaya zu tun, frage ich, doch sie presst nur die Lippen zusammen. Sie geht zur Kommode zwischen den beiden Fenstern und beginnt dort gedankenverloren einige Figuren umzustellen. Jeder weitere Versuch, über Yaya und sein Amulett zu sprechen, ist sinnlos, es ist offensichtlich, dass Pitra, aus welchem Grund auch immer, nicht mehr darüber sagen will. Iss noch etwas, sagt sie, ohne sich umzudrehen, und ich nehme mir eine zweite Portion von ihrem wunderbaren Bohnengericht.
Hallo, Rotkäppchen, begrüße ich Nino, als ich die Tür zur Waschküche öffne. Hallo, gibt sie mit lautem Gähnen zurück. Na, na, bin ich wirklich so langweilig, frage ich sie auf Georgisch. Alle sind langweilig hier, antwortet sie missmutig, und Bügeln ist überhaupt das Langweiligste, was es gibt. Mit lieblosen Bewegungen schiebt sie das heiße Eisen über eine kühle Bluse. Deshalb bügle ich auch nicht, sage ich und deute auf mein T-Shirt. Blusen muss man bügeln. Ich wusste gar nicht, dass du so bürgerlich bist, necke ich sie, doch sie ignoriert meinen Einwurf. Ich gehe zu den Waschmaschinen, eine ist in Betrieb, in die andere stopfe ich meine Schmutzwäsche. Hinter mir höre ich, wie sich die Tür öffnet, ich vernehme ein muffiges Hallo, das kann nur Murad sein. Ihm schenkt Nino nicht einmal ein Gähnen, braves Mädchen, sie kann ihn auch nicht ausstehen. Nachdem ich die Waschmaschine in Gang gesetzt habe, stehe ich auf und drehe mich um. Murad steht unschlüssig zwischen Tür und Bügelbrett, er wendet sich halb zum Gehen, scheint sich dann eines Schlechteren zu besinnen und hält Nino plötzlich drei Hemden hin. Du kannst bugeln, stößt er hervor. Nino stellt das Bügeleisen ab und schenkt ihm einen verständnislosen Blick. Da, sagt er noch einmal, bitte bugeln. Das Wort, seines Umlautes beraubt, steht wie eine obszöne Beleidigung in dem kleinen Raum. Nachdem Nino immer noch keine Anstalten macht, seiner Forderung nachzukommen, versucht er es auf Russisch. Ich glaub’, dir geht’s nicht ganz gut, antwortet Nino, die aus ihrer Erstarrung erwacht, ich bin ja nicht deine Putzfrau! Er zögert, dann wendet er sich abrupt um und geht aus dem Raum.
Sie schaltet das Bügeleisen aus. Wie halten muslimische Frauen nur diese Männer aus, fragt sie das Bügelbrett oder die Wand oder die Waschmaschine, jedenfalls aber nicht mich, und wir verlassen gemeinsam die Waschküche.
Als ich ins Wohnzimmer komme, ist Murad gerade in Verhandlungen vertieft. Drei Euro, bietet er Amal und hält ihr die Hemden unter die Nase, doch sie rümpft selbige. Anscheinend hat er zuvor noch weniger geboten. Ich überlege kurz, ob ich ihn an Tomo verweisen soll: Tomo »Ironman« Nikolić, immer makellos gekleidet, kennt keine Gnade im Kampf gegen die Falten dieser Welt. Gib, sagt Nicoleta, die die Szene stumm verfolgt hat, und streckt die Hand nach den Hemden aus. Ich mache ohne Geld für dich, aber nur ein Mal. Murad übergibt ihr die Hemden. Danke, sagt er, und, man glaubt es kaum, ein Lächeln erhellt seine finstere Talibanmiene! Doch Lächeln hin oder her, so geht’s nicht, junger Freund, hier muss ich einschreiten, ob ich will oder nicht. Ich trete ganz nahe an ihn heran und lege ihm die Hände auf die Schultern, er weicht unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Verband auf seinem Kopf ist einem Pflaster gewichen, die anderen Wunden sind nicht mehr bedeckt. Murad Magomazov, sage ich so leise, dass nur er mich hören kann, ich warne dich: Wer andere schickt ans Bügelbrett, der kommt dafür aufs Prügelbett. Er tut, als würde er mich nicht verstehen, doch ich denke, wir haben uns verstanden.
Nicht nur vor dem Bügeln, sondern auch vor dem Putzen möchte Freund Murad sich drücken, doch nicht bei mir, bei mir nicht! Zwei Tage später habe ich nämlich das Vergnügen, gemeinsam mit ihm das Bad reinigen zu dürfen. Es ist der erste Dienst, zu dem er eingeteilt wurde, und natürlich ist er zuerst einmal nicht aufzufinden, möchte sich abputzen, bekommt jedoch einen Anputz von Hans, der ihn schließlich zum Waschraum eskortiert. Herzlich willkommen, begrüße ich ihn auf Tschetschenisch, betrachte es als Ehre, an meiner Seite den Besen schwingen zu dürfen, du wirst bestimmt eines Tages voller Stolz deinen Enkelkindern davon erzählen. Er verzieht die Nase. Hier stinkt’s, stellt er fest. Was für eine feine Nase du hast, antworte ich, muss ihm aber leider recht geben, denn irgendjemand hat tatsächlich eine besonders opulente Duftnote
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