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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Schweigen im Wienerwalde, doch wen wundert’s? Was möchtet ihr gerne finden, versucht es Herbert Leitner erneut. Eine Frau, sagt Afrim schließlich. Ja, da gibt es natürlich viele Möglichkeiten im Internet, seriöse und weniger seriöse, gibt Herbert Leitner lächelnd zurück, es gibt Partnerschaftsbörsen, es gibt Chatrooms und so weiter. Er meint Bilder von nackten Frauen, interpretiere ich Afrims Wunsch. Es gibt Gekicher im Raum, Afrim wird rot. Stimmt nicht, protestiert er. Die kann man natürlich auch finden, sagt Herbert Leitner mit mildem Lächeln, doch mit Pornografie wollen wir uns hier nicht unbedingt beschäftigen. Und, was möchtet ihr sonst noch finden? Die CD von Shakira, was ich habe verloren, sagt Kamal das Kamel. Er blickt verständnislos um sich, während rundum Gelächter ausbricht. Was ist daran so lustig, scheinen seine Kamelaugen zu fragen. Ich möchte wirklich finden, sagt er ernst. Jaja, so ist das eben, wenn man versucht, Schafzüchtern, Ziegenhirten und Kameltreibern die Errungenschaften der modernen Technik näherzubringen. Und was bedeutet die Abkürzung EDV , mein lieber Kamal, EDV , antwortet Kamal geflissentlich, steht für Eritreische Dattel-Verwertung. Ausgezeichnet, danke, setzen, sehr gut. Wir könnten zum Beispiel Informationen zu den einzelnen Ländern suchen, aus denen ihr kommt, schlägt Herbert Leitner vor, nachdem er erfolglos versucht hat, Kamal über Wesen und Grenzen des Internets aufzuklären. Als auch dieser Vorstoß auf peinliches Schweigen stößt, schlage ich Nigeria vor. Dankbar nimmt er das Angebot an, geht zu jedem der vier Computer, tippt Nigeria in die Suchmaske ein und erklärt anhand des auf Wikipedia aufgerufenen Artikels die Funktionsweise der Online-Enzyklopädie. Und zehn Augenpaare sehen zwar und zwanzig Ohren lauschen, doch in den dahinterliegenden Gehirnwindungen fehlt es an der nötigen Kapazität, um das solcherart Registrierte zu verarbeiten. Dem EDV -Mann entgeht das in seiner Begeisterung jedoch völlig. Wer sich nun für ein ganz bestimmtes Thema im Zusammenhang mit Nigeria interessiert, setzt er fort, kann noch wesentlich gezielter suchen. Hat jemand einen Vorschlag? Öl, breche ich das Schweigen. Sehr guter Vorschlag, lobt der elektronische Datenverarbeitungsmann, Nigeria und Öl lautet also die neue Suche, seht ihr, sagt er stolz, als hätte er soeben ein besonders schwieriges Kunststück vollbracht, jetzt sind es nur noch 225.000 Seiten.
    Ich blicke mich um. Nino schläft, die rote Lockenmähne ruht auf dem Unterarm, Rotkäppchen hat wieder einmal unerlaubterweise außer Haus übernachtet, ich möchte lieber nicht wissen, in welchem Walde sie sich herumgetrieben, mit welchen Wölfen sie geheult hat. Hikmet, der mit seinen Eltern im zweiten Stock lebt, spielt mit seinem Telefon, Afrim starrt gelangweilt vor sich hin, Wann kommen wir endlich zu den Pornoseiten, will dieser Blick wissen. Kamal schaut vorwurfsvoll zu Herbert Leitner, weil der nicht bereit ist, sich auf die Suche nach der verlorenen CD zu machen, der Rest der Truppe ist zwar körperlich, den leeren Blicken zufolge nicht aber geistig anwesend.
    Hat jemand eine Idee, wie man die Suche noch weiter einschränken könnte, fragt Herbert Leitner in die Runde. Nigeria, Öl und Ijaw, antworte ich ohne zu zögern und muss Ijaw für ihn buchstabieren. Großartig, sagt er, sichtlich glücklich, zumindest einen von elf Anwesenden zu erreichen. Er klickt eines der Ergebnisse an, die Website einer internationalen Menschenrechtsorganisation, und in dem Artikel, der sich öffnet, wird die Geschichte einer Ijaw-Gemeinde im Niger-Delta erzählt. Bevor die Ölfirmen kamen, so beginnt die Geschichte, war Makadu ein armes, aber friedliches Fünfhundert-Einwohner-Dorf in den Sümpfen des Niger-Deltas. Die Männer befuhren mit ihren kleinen Booten die Flüsse und fischten, die Frauen und Kinder bestellten die winzigen Felder. Was der Verkauf der Fische auf dem Markt von Port Harcourt einbrachte, reichte gerade aus, um das einzukaufen, was man im Dorf nicht selbst produzieren konnte. Dann wurde eines Tages Öl gefunden. Weit weg zuerst, in einem anderen Teil des Deltas, doch die Kunde verbreitete sich rasch, Öl macht reich, hieß es, die ausländischen Ölfirmen kaufen alles Land, man bekommt nicht nur den Grundstückspreis, sondern wird auch am Gewinn beteiligt.
    Die Ölfirmen kamen bald auch nach Makadu, sie begannen mit Probebohrungen, tatsächlich, man fand Öl, die Euphorie war groß, man würde

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