Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
zwei. Zwei kleine Negerlein, die waren sich uneins, das eine schlug das andere tot, da gab es nur noch eins. Ein kleines Negerlein, das fiel hinein in’ Dreck, keiner hat die Hand gereicht, da war es plötzlich weg.
Küss’ die Hand, Fräulein Obranović, begrüße ich Miras Tochter auf dem Weg nach oben im Lift und lüpfe meinen imaginären Hut. Fräulein gibt’s keins, sagt sie streng, hält mir aber trotzdem mit selbstverständlicher Eleganz die zarte Pranke zur Beleckung hin. Mit ebensolcher Eleganz entledige ich mich meiner Pflicht, zur Kür füge ich noch ein paar angedeutete Küsse auf den Unterarm hinzu. Das genügt für heute, entlässt sie mich schließlich huldvoll. Im vierten Stock angelangt macht sie sich auf die Suche nach ihrer Rabenmutter, die jedoch nirgendwo zu finden ist, und so setzt sich das arme, unbemutterte Kind in die Küche und erledigt seine Hausaufgaben. Ich bereite Tee zu. Möchten Sie auch Tee, Fräulein Obranović? Nein, danke, lehnt sie ab, und Fräulein gibt’s noch immer keins. Brauchen Sie Hilfe, Fräulein Obranović, frage ich sie, als der Tee fertig ist. Nein, danke, Herrlein Idaulambo, lautet des frechen Kindes Antwort. Ach, es gibt keinen Respekt mehr vor älteren Menschen in dieser Welt, klage ich laut. Ich setze mich mit meiner Teetasse auf die andere Seite des Tisches, und ein paar Minuten später wird Alenka klar, wie es ja auch den meisten anderen in meiner Umgebung früher oder später klar wird, dass es doch nicht ganz ohne Ali geht. Wie schreibt man eigentlich das Wort perfekt, möchte sie wissen, mit k oder mit ck? Ach, mein Schatz, schreibst du über mich? Nein, denn wie man bescheuert schreibt, weiß ich. Und außerdem bin ich nicht dein Schatz. Okay, okay, also ohne c. Und Frustration, fragt sie kurz darauf, schreibt man das mit zwei s? Kommt drauf an, wie frustriert du bist, gebe ich zurück, sie zeigt mir ein spitziges Zünglein, und ich verlasse die Küche.
Später, als die ersten Ungeduldigen schon beim Abendessen sitzen, taucht Lukas der Lehrer auf. Hallo, Schatz, grüßt er Alenka. Ich bin nicht dein Schatz, widerspricht sie. Ich hab’ ja auch nicht mein Schatz gesagt, rudert er zurück, sichtlich gekränkt. Ein paar Minuten später schmiegt sie sich dann aber doch zärtlich an den Lehrer, als er verspricht, mit ihr und Mira ins Kino zu gehen. Jaja, so leicht kann man Menschen kaufen, stelle ich kopfschüttelnd fest und frage mich, was er wohl Mira versprochen hat, um sie für sich zu gewinnen. Die Welt ist schlecht, die Welt ist ein großer Supermarkt, in dem alles, alles käuflich ist für die, die das nötige Kleingeld haben …
Natürlich folge ich den dreien, als sie kurz darauf das Haus verlassen, es ist nun einmal meine Pflicht. Diesmal gehe ich spazieren, während sich das Trio Ice Age 2 ansieht, und als sie danach in vaterlandsverräterischer Weise eine Pizzeria besuchen, bestelle ich zum Beweis meines unbändigen Integrationswillens in einer nahe gelegenen Konditorei einen kleinen Schwarzen und einen Mohren im Hemd. Mein Teint harmoniert auf das Wunderbarste mit dem des Mohren, sein Hemd mit dem meinigen, dieses schöne Bild zieht natürlich auch die Aufmerksamkeit der beiden jungen Kellnerinnen auf sich. In – wie passend, wie passend – schwarze Kleidchen und weiße Schürzchen verpackt, so lehnen sie an der Theke, sie unterhalten sich flüsternd, und immer wieder wandern ihre Blicke verschämt zu mir herüber. Nachdem der Mohr seine Arbeit und Schuldigkeit getan hat, kann er gehen, er geht zu Mira und nimmt wieder seinen Beobachtungsposten ein.
Für das Kind gibt es bald einen negativen Bescheid aus dem Mutteramt: Ausweisung aus dem Wohnzimmer, Abschiebung ins Kinderzimmer, die Sicherheit des Landes ist bedroht, es war daher spruchgemäß zu entscheiden, und da hilft kein Schreien und kein Weinen und kein Strampeln mit den Beinen. Als schwachen Trost gibt es einen mütterlichen Kuss, und als der Lehrer unentschlossen danebensteht, wie es eben seine Art ist, danebenzustehen, streckt ihm das Kind die Hand zum Kusse hin, oja, das Fräulein Fräulein-gibt’s-keins hat es fäustlingsdick hinter den Elfenohren!
Sie lässt sich ohne weiteren Widerstand gegen die Staatsgewalt abschieben, doch kaum sind Mira und Lukas im Schlafzimmer verschwunden, entsteigt Alenka ihrem Backfischbettlein, trippelt auf Zehenspitzlein durchs dunkle Wohnzimmer und hängt ihr Ohr an die Schlafzimmertür. Du hast vorgestern Nacht im Schlaf gesprochen, behauptet der
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