Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
Vom Netzwerk:
du sie tot, verstanden, befiehlt der Kommandant plötzlich. Die Eltern schreien beide gleichzeitig auf. Sie versuchen, aus der Reichweite ihrer Bewacher zu entkommen, doch vergeblich. Sie bitten und betteln, der Kommandant lacht nur. Bring sie endlich um, du Feigling, brüllt er dann, scheinbar enttäuscht von seinem Schützling, der mit erschlafftem Glied über dem Mädchen kauert. Jetzt dreh der kleinen Hure schon den Hals um! Yaya denkt an die Drohungen des Kommandanten und der Soldaten, er weiß, dass es keine leeren Drohungen sind, jeder weiß von den zehn- oder elf- oder zwölfjährigen Burschen, die vergewaltigt und erschlagen wurden, und langsam legen sich seine Hände um den Hals des Mädchens. Adjoua blickt ihn mit weit aufgerissenen Augen an, Todesangst im Blick, mehr aber noch ein ungläubiges Staunen: Du kannst so etwas doch nicht tun, scheinen diese Augen zu sagen, du bist doch kein schlechter Mensch. Man hört die Schreie der Eltern, auch von draußen sind Schreie und Schüsse zu hören, doch Adjoua gibt keinen Laut von sich. Yayas Hände drücken fester und fester, Adjoua wehrt sich. Schwächling, ruft einer der Soldaten, die anderen fallen ein, Schwächling, Schwächling! Ich glaub’, er braucht eine Pistole, feixt einer, sonst schafft er’s nicht. Kommt nicht infrage, lehnt der Kommandant ab. Er bückt sich, neben der Tür zum angrenzenden Raum liegt ein großer Stein, die Tür fällt zu, als er ihn aufhebt. Da, sagt er und überreicht ihn Yaya. Yaya zögert nur kurz, dann beginnt er mit dem Stein auf Adjouas Kopf einzuschlagen. Blut schießt hervor, der Körper des Mädchens bäumt sich auf, nach einigen Schlägen wird der Blick leer, der Körper bewegungslos, doch Yaya schlägt immer wieder zu. Der Kopf ist nur noch eine blutige Masse. Jetzt reicht’s, sagt der Kommandant. Yaya hört ihn nicht, seine Hand bewegt sich mechanisch und mit großer Kraft auf und ab. Hör auf, du Arschloch, sie ist schon tot, brüllt der Kommandant, doch es braucht zwei kräftige Männer, um Yaya schließlich von dem blutüberströmten Körper loszureißen. Die Soldaten führen ihn hinaus. Jetzt mach’ dir mal die Hose zu, sagt einer, was sollen denn da die Damen denken, wenn sie dich sehen. Die anderen lachen, Yaya gehorcht automatisch. Jetzt bist du einer von uns, sagen sie und klopfen ihm auf die Schulter. Im Lager gibt es später ein Fest, alle bis auf einen haben die letzte Mutprobe bestanden. Der geschundene Körper des einen, eines Dreizehnjährigen aus Yayas Dorf, taucht ein paar Tage später zwischen Goualé und dem Lager auf, Yaya und die anderen Neulinge müssen ihn begraben.
    Ich lasse Yayas Aquarelle aufs Bett sinken, ich schiebe sie von mir fort, damit meine Tränen nicht die Farben verwischen. Was ist, fragt Yaya. Nichts, antworte ich, gar nichts. Gar nichts, wiederhole ich auch für Djaafar, der kurz darauf ins Zimmer kommt und mir einen fragenden Blick zuwirft. Er dringt nicht weiter in mich, sondern bedeutet mir mitzukommen. Schweigend fahren wir mit dem Lift ins Erdgeschoss und spazieren zu einem kleinen Park in der Nähe des Hauses, schweigend sitzen wir nebeneinander, während Djaafar einen Ofen für uns beide bastelt. Ich spüre, wie sich das Kraut allmählich in meinem Kopf ausbreitet, und mit dem Rauch, den ich in die Luft blase, steigt Adjouas und Yayas Geschichte langsam auf und verteilt sich im Himmel über Wien.

14
    Ein weiterer Beruf, der sich bei Ausländern in Österreich schon seit Langem großer Beliebtheit erfreut, ist der des Zeitungsverkäufers, weshalb die zweite Woche unseres Schnupperkurses ebendiesem Berufsstand gewidmet ist. Mein Name ist Dietmar Jäger, aber meine Freunde nennen mich DJ , stellt sich der Vertreter eines großen Medienkonzerns vor. Nachdem ich hier nur Freunde sehe, bin ich auch für euch und für Ali einfach nur der DJ . Mit Ali meint er nicht mich, sondern einen Namensvetter aus Pakistan: hellbrauner Turban, gelb-rote Uniformjacke, ergrauter Vollbart, halb versteckt darin ein schüchtern-serviles Lächeln. Ja, Mista Didschei, bestätigt er. Der Beruf des Zeitungsverkäufers bietet gute Verdienstmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, ein gutes Betriebsklima und beste Aufstiegschancen, erklärt DJ , vor allem aber ermöglicht er jungen, dynamischen Menschen einen Einstieg in die Selbstständigkeit, und das ist heutzutage der Weg in die berufliche Zukunft. Unser Konzern holt sich sein Menschenmaterial meistens direkt aus dem Ausland – Indien und Pakistan

Weitere Kostenlose Bücher