Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
Oh, nein, tut mir leid, die … hat gerade einen Kunden. Aber vielleicht kümmern wir uns erst einmal um Ihr Training, und ich werde ihr ausrichten, dass Sie hier waren, einverstanden?«
»Großartig«, sagt Herr Hübner. Dann drückt er sein Kreuz durch, wodurch sein Bauch noch mehr hervortritt. »Ich fühle mich jetzt schon um einiges fitter. Also, was muss ich tun?«
»Gehen Sie einfach in die Wellness-Lounge, und fragen Sie nach André. Richten Sie ihm aus, dass ich Sie schicke. Er wird sich dann um alles Weitere kümmern.«
»André? Das klingt schon so richtig nach Männlichkeit und Power, genau das, was ich jetzt brauche.« Männlichkeit und Power? Ja, sicher, André hat beides. Und er ist schwul.
Herr Hübner reckt den Daumen in die Höhe und watschelt mit Höchstgeschwindigkeit davon.
Als er voller Elan um die Ecke biegt, kracht er beinahe mit einem großen, dunkelhaarigen Mann zusammen.
Alexander! In mir beginnt es seltsam zu rumoren, als er auf mich zukommt. Er ist wieder unrasiert wie bei unserem ersten Kennenlernen, und natürlich trägt er Jeans und sein altes, braunes Sakko. Trotzdem sieht er irgendwie … gar nicht übel aus.
»Molly! Schön, dich zu sehen«, sagt er, als er näher kommt, und seine dunklen Augen blitzen kurz auf. Er deutet mit dem Daumen hinter sich. »Wer war denn der blonde Jüngling?«
»Das war Herr Hübner, ein Kunde von mir.«
»Ach ja? Und wer hat ihm diese Perücke aufgesetzt? Sag bloß nicht, das warst du.«
»Ich? Nein, natürlich nicht. Im Übrigen steht ihm diese Frisur ganz ausgezeichnet, und er ist äußerst erfolgreich damit.«
»Tatsächlich?«, meint Alexander verwundert. »Na ja, egal, geht mich ja nichts an. Also, wohin gehen wir? In dein Büro oder wieder ins Down Under?«
»Bloß nicht«, sage ich hastig und merke, wie mir das Blut in die Wangen steigt. »Wir gehen in mein Büro.«
Als wir uns gegenübersitzen, tritt einen Moment lang Stille ein. Alexander mustert mich prüfend.
»Alles okay?«, fragt er dann.
»Ja, danke. Mir geht’s gut, total gut«, versichere ich schnell und klicke mich in seine Akte. »So, mal sehen, Alexander Schwarz … Was bräuchten wir denn da am dringendsten?«, fahre ich in geschäftsmäßigem Ton fort. »Also, neue Kleidung, so viel ist klar …«
»Ganz sicher?«, fragt er.
Ich werfe einen schnellen Blick auf ihn. »Oh ja, da bin ich mir sicher«, nicke ich ernst. »Ich meine, allein dieses Sakko …«
»Okay«, nickt er ernst. »Also ein neues Sakko. Welche Farbe?«
Ich sehe ihn überrascht an. »Es geht nicht nur um ein neues Sakko, Alexander. Du brauchst ein völlig neues Outfit, verstehst du? Moderne Kleidung, eine trendige Frisur …«
»Ich weiß nicht, ob ich mich an eine blonde Perücke gewöhnen könnte«, wendet er ein.
»Doch keine Perücke«, erwidere ich schnell. Dann entdecke ich das Zucken um seine Lippen. »Du nimmst mich doch nicht auf den Arm, oder?«
Er hebt sofort beide Hände. »Aber nein, keineswegs, Molly. Alles, was ich möchte, ist, von dir gut und professionell beraten zu werden.«
Ich werfe ihm abermals einen prüfenden Blick zu, bevor ich antworte: »Okay … Also, wo waren wir stehen geblieben … Ah ja, deine Frisur. Ein neuer Schnitt wäre gut. Im Moment siehst du so aus, als wärst du gerade erst aus den Federn gehüpft.« Er hat wirklich ziemlich strubbeliges Haar, das widerspenstig nach allen Seiten absteht.
»Einverstanden«, nickt er.
»Und dann sollten wir uns vielleicht noch einen Rhetorikkurs überlegen«, sage ich nachdenklich.
»Wieso, verstehst du mich schlecht?«, fragt er.
»Wie bitte?«
»Ich fragte, ob du mich schlecht verstehst.«
»Nein, ich verstehe dich gut.«
»Wozu brauche ich dann einen Rhetorikkurs?«
»Bei unseren Rhetorikkursen geht es nicht nur darum, deutlich zu sprechen, sondern hauptsächlich darum, wie man etwas sagt. Du lernst dabei, wie du deine Gesprächspartner überzeugen und für dich gewinnen kannst«, zitiere ich den Spruch aus unserem Werbeprospekt.
»Aha«, sagt er. »Gut, also einen Rhetorikkurs.«
»Ja?«, sage ich etwas erstaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass er das so widerspruchslos akzeptiert. »Okay, und wenn wir schon mal dabei sind, könnte ich dir auch gleich ein paar Termine in unserer Wellness-Lounge buchen. Ich denke da an ein paar Solariumbesuche und Massagen.«
Alexander mustert mich schweigend.
»Was ist?«, frage ich verunsichert.
»Findest du wirklich, dass ich das alles brauche?«, fragt er dann
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