Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
hin. Als ich vorgestern mit Alexander zum Mittagessen war (zwischen uns hat sich inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis gebildet – aber natürlich nur im Sinne einer vertrauten Partnerschaft zwischen Stilberaterin und Kunde), ertappte ich mich dabei, wie ich ausrechnete, dass ich über vierzig Jahre lang über dreitausend Euro im Monat verdienen müsste, um auf anderthalb Millionen zu kommen, und ich bekam gar nicht mit, dass Alexander sich währenddessen mit dem Kellner darüber auseinandersetzte, wie weich Nudeln sein dürften, um noch als »al dente« durchzugehen.
Irgendwie ist das verrückt. Früher haben mich solche Berechnungen nicht die Bohne interessiert, geschweige denn, dass ich sie einfach so im Kopf hätte anstellen können. Scheint so, als wäre ich nicht nur reicher geworden, sondern dazu auch noch klüger.
Meine Gedanken kreisen jetzt fast nur noch darum, wie ich mein Geld anlegen soll, aber natürlich auch darum, wie ich verheimlichen kann, dass ich plötzlich so viel davon habe.
Bei genauer Betrachtung ist das nämlich gar nicht so leicht.
Meine Einkäufe zum Beispiel. Natürlich leiste ich mir jetzt das eine oder andere gute Stück, und dabei muss ich höllisch aufpassen, dass Lissy und Tessa nicht Wind von der Sache bekommen. Als Frauen verfügen sie über angeborene Instinkte in Sachen Mode, und jedes Mal, wenn ich etwas Neues anhabe, reißen sie sofort die Augen auf und wollen wissen, wo und für wie viel ich das gekauft habe.
Ich flunkere dann immer ein bisschen, von wegen, dass das gerade ein Riesenschnäppchen war, und mittlerweile bin ich sogar dazu übergegangen, mir alte Klamotten anzuziehen, wenn ich das Haus verlasse, und mir erst später im Wagen die neuen Sachen überzuziehen, die ich in einer Einkaufstüte mitgenommen habe. Inzwischen habe ich eine wahre Meisterschaft darin entwickelt, mich in meinem Mini umzuziehen, erst heute Morgen gelang es mir, während nur einer Ampelphase ein komplettes Kostüm samt BH und Schuhen zu wechseln (wobei ich den Brummifahrer, der hinter mir stand, erst bemerkte, als er begeistert zu hupen begann).
Oder das Haus. Natürlich könnte ich es mir jetzt kaufen – aber wie erklären, woher ich plötzlich das Geld dazu habe?
Allmählich ist da nämlich eine Entscheidung fällig. Herr Hübner war diese Woche schon zweimal bei mir, und ich konnte ihn jedes Mal gerade noch an Clarissa vorbeischleusen, indem ich ihn einmal zum Hautpeeling und das andere Mal zu einer transzendentalen Entspannungssitzung geschickt habe. Aber natürlich werden mir solche Ablenkungsmanöver nicht immer gelingen, also brauche ich schleunigst einen guten Plan.
»Schon merkwürdig«, sagt Fiona in diesem Moment.
Ich habe mich durch die Herumgrübelei in den letzten Tagen derart verspannt, dass ich, nachdem Clarissa sich ins Wochenende verabschiedet hat (kurz nach Mittag – schätze, sie hat wieder ein Date mit Hans/Philip/Phantom/Boss), kurzerhand beschloss, die Arbeitswoche bei einer entspannenden Massage ausklingen zu lassen.
»Was denn?«, frage ich träge durch das Loch in der Massageliege. Wenn Fiona an mir herumknetet, überkommt mich immer ganz automatisch eine wunderbare Müdigkeit.
»Deine Muskeln«, sagt sie und beginnt mit kreisenden Bewegungen meinen Nacken zu lockern.
»Was ist denn damit?«
»Die sind so … weich .«
»Wie, weich?«
»Dafür, dass du so viel Sport machst, meine ich. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so viel trainiert wie du und dabei so wenig Muskulatur aufbaut.«
»Muss wohl an meinen Genen liegen«, murmle ich. Und daran, dass ich von den meisten Sportarten, die ich angeblich ausübe, nicht einmal weiß, wie man sie schreibt , geschweige denn, dass ich sie betreiben würde.
»Wann darf ich denn jetzt endlich mit zum Kickboxen?«, fragt Fiona, während sie mit ihren Handkanten rhythmisch auf meine Wirbelsäule eintrommelt.
Kickboxen? Habe ich ihr erzählt, dass ich das auch mache? Mist.
»Sieht schlecht aus in nächster Zeit«, antworte ich. »Mein Trainer ist gerade auf einem Weiterbildungsseminar in …« Aus welchem Land stammt das überhaupt? »… Nordkorea.«
»Nordkorea? Kann man dort überhaupt einreisen als Europäer? Ich dachte, die hätten diesen durchgeknallten kommunistischen Führer«, wundert sich Fiona.
Echt? Blöde Kommunisten.
»Äh … das stimmt schon, aber für Kickboxer gibt es eine Sonderregelung, die … Kickboxer-Einreise-Ausnahmebestimmung«, erkläre ich.
»Ehrlich? Wahnsinn. Da
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