Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
gerade eben anrufen, und er ist nicht erreichbar …«
»Und Sie haben schon befürchtet, dass er mit Ihrem Geld auf und davon ist?«, meint sie und lacht.
»Nein, natürlich nicht.« Ich ringe mir ein gekünsteltes Lachen ab.
»Also, ich an Ihrer Stelle würde auch wie auf Nadeln sitzen, bis das Geld auf meinem Konto ist«, meint Frau Sommer.
»Ach, wissen Sie, ich bin kein Paniktyp, falls Sie das meinen«, erkläre ich möglichst lässig. »Aber wenn wir schon mal am Reden sind: Wie ist er denn so, Ihr Herr Fortunatus? Ich meine, ist er … zuverlässig?«
»Ich kann Sie beruhigen, Frau Becker, Herr Fortunatus macht diese Arbeit bereits seit über zwanzig Jahren, und er hat einen einwandfreien Leumund. Was ihn betrifft, müssen Sie sich absolut keine Sorgen machen, und dass er gerade nicht erreichbar ist, kann viele Gründe haben.«
»Ja … äh … Sie haben recht. Und vielen Dank auch für Ihre Auskunft.«
»Keine Ursache, Frau Becker.«
Als ich aufgelegt habe, bin ich ganz benommen vor Glück. Also doch reich. Dem Himmel sei Dank. Nicht auszudenken, wenn ich das Geld nicht bekommen würde. Hofstätter drängt sich wieder in mein Bewusstsein, und wie er mich angeschrien hat. Wobei, von seinem Standpunkt aus betrachtet muss es natürlich seltsam aussehen, wenn jemand, der mit seinem Konto ohnehin schon im Minus ist, dann auch noch munter Geld abhebt.
Ach, wie gerne würde ich die Karten auf den Tisch legen und ihm genussvoll reinwürgen, dass er mich gefälligst nicht anschreien soll, sondern sich im Gegenteil bemühen und mich künftig äußerst zuvorkommend behandeln sollte, will er nicht eine seiner besten Kundinnen verlieren.
Plötzlich überkommt es mich. Vielleicht sollte ich ganz einfach reinen Tisch machen. Zugeben, dass ich Schwein gehabt habe und plötzlich stinkreich bin.
Es wäre so schön. Ich könnte mir das Haus kaufen, mein Konto abdecken, und ich könnte Clarissa endlich mal so richtig die Meinung geigen, und mit Lissy und Tessa würde ich eine irre Shoppingtour machen. Irgendwohin jetten, nach Paris zum Beispiel oder nach Mailand – oder, noch besser, Los Angeles. Vielleicht treffen wir dort auf dem Rodeo Drive sogar ein paar echte Promis. Eine ganz wunderbare Phantasie durchströmt mich plötzlich, wir zu dritt in einem total angesagten Modeschuppen, und eigens engagierte Models führen uns die Kleider vor …
Müssen Handys immer dann läuten, wenn es am allermeisten stört?
Erich Fortunatus!
»Endlich!«, schreie ich ins Telefon. »Wo waren Sie denn? Ich habe mehrmals versucht, Sie anzurufen, und Sie haben nicht abgenommen …«
»Im Keller«, unterbricht er mich trocken.
»Wie bitte?«
»Ich war im Keller und hatte keinen Empfang. Was kann ich denn für Sie tun, Frau Becker?«
»Also, es ist so«, beginne ich. »Es ist ja jetzt schon eine ganze Weile her, seit wir uns getroffen haben …«
»Exakt eine Woche.«
»Genau, das meinte ich. Es ist jetzt schon eine ganze Woche her«, setze ich erneut an. »Und da dachte ich, es wäre allmählich an der Zeit, dass Sie mein Geld überweisen.«
»Sie haben also doch finanzielle Probleme?«, sagt er im Oberlehrertonfall.
»Nein, habe ich nicht«, behaupte ich spontan. »Ich meine … also … nicht direkt Probleme … Es ist nur so, dass ich ein paar Ausgaben hatte, und da wäre es nicht schlecht …«
»Frau Becker«, fällt er mir erneut ins Wort. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es zwei bis drei Wochen dauern wird.«
»Ja, ich weiß, aber … wie wäre es denn mit einem kleinen Vorschuss?«
»Ein Vorschuss, auf einen Lottogewinn?«, fragt er, als hätte er sich verhört. »Frau Becker, Sie werden doch wohl nicht so pleite sein, dass Sie nicht diese kurze Zeit durchhalten können? Und ich hoffe, Sie begehen jetzt nicht den Fehler, Ihr Geld mit beiden Händen zum Fenster rauszuwerfen?«
»Nein, natürlich nicht, wofür halten Sie mich? Wie gesagt, ich hatte nur ein paar Ausgaben, das ist alles.«
»Ein paar Ausgaben«, wiederholt er, und der Vorwurf in seiner Stimme ist unüberhörbar. Dann atmet er tief durch. »Frau Becker, alles, was ich für Sie tun kann, ist, mich bemühen, dass Sie Ihr Geld bis Ende nächster Woche auf Ihrem Konto haben, okay?«
»Ja, okay, geht in Ordnung«, seufze ich.
»Und, Frau Becker, ich möchte Sie noch einmal ausdrücklich an unser Gespräch erinnern. Seien Sie vorsichtig, und bewahren Sie Ruhe und Disziplin, das ist jetzt das Wichtigste. Ich habe schon viele erlebt, die nicht schweigen
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