Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
später, wenn es finster ist, könnte ich …
Au Backe!
Obwohl ich ihn nur von hinten sehe und er in seinem Wagen sitzt, erkenne ich ihn sofort. Es muss an seinen schütteren Haaren liegen – vielleicht aber auch daran, dass er der Einzige ist, der gegenüber von unserem Haus parkt und es beobachtet. Hofstätter!
Was fällt diesem Kerl eigentlich ein? Hat der nichts anderes zu tun, als mir nachzuspionieren? Hat er denn keine Familie oder Freunde, die er am Freitagabend schikanieren kann?
Plötzlich werde ich richtig wütend. Am liebsten würde ich ihm gleich von hinten in seine Spießbürgerkarre reindonnern und ihn anschreien, dass er mich gefälligst in Ruhe lassen soll, weil ich bald weder auf ihn noch auf seine bescheuerte Bank noch auf sein dämliches Geld angewiesen bin.
Denken Sie an Onkel Franz! Erich Fortunatus’ Worte schleichen sich plötzlich in mein Gehirn.
Mist. Stimmt ja. Ich kann Hofstätter gar nicht die Wahrheit sagen, nicht, wenn ich es vermeiden will, dem Pfarrer ein neues Auto zu kaufen und die Rechnungen anderer Leute zu bezahlen.
Die Seitenstraße. Das ist es. Unser Haus verfügt über einen Hintereingang, und über die Seitenstraße kann ich unbemerkt dorthin gelangen. Ich lasse meinen Wagen möglichst leise heranrollen, was mit dem löchrigen Auspuff gar nicht so leicht ist, und biege, kurz bevor ich Hofstätters Wagen erreiche, ohne zu blinken ganz geschmeidig nach links ab.
Ja! Es funktioniert. Er hat mich nicht bemerkt. Ich parke meinen Mini auf dem Seitenstreifen, dann steige ich aus und werfe einen Blick auf die Einkaufstüten, die sich auf dem Beifahrersitz und der Rückbank türmen. Okay, falls meine Mitbewohnerinnen zu Hause sind, wäre es unklug, jetzt mit dem ganzen Packen reinzuschneien. Abgesehen davon könnte ich das alles gar nicht auf einmal tragen.
Ich schnappe mir also nur ein paar von den kleineren Tüten und nähere mich zögernd der Hintertür. Vorsichtig sperre ich auf und stecke den Kopf hinein.
»Lissy? Tessa?«
Keine Reaktion. Scheint niemand da zu sein. Erleichtert betrete ich die Diele und schließe die Tür hinter mir. Auf einmal höre ich ein Geräusch, und meine Nackenhaare stellen sich sofort auf.
»Lissy? Tessa? Hallo, ist jemand zu Hause?«, rufe ich noch einmal vorsichtig.
Keine Antwort. Okay, habe ich mich wohl wieder getäuscht. Dieser Stress macht mich langsam fertig. Sobald das hier ausgestanden ist und mein Leben wieder in geregelten Bahnen verläuft, muss ich unbedingt einen Erholungsurlaub einlegen.
»Hi, Molly, auch schon da?«
Ich lasse vor Schreck beinahe die Tüten fallen. Lissy ist direkt hinter mir die Kellertreppe hochgekommen. Damit habe ich am allerwenigsten gerechnet. Ihr Haar ist ganz zerzaust, und sie atmet irgendwie schneller als sonst.
»Mensch, hast du mich erschreckt!«, sage ich vorwurfsvoll. »Was treibst du denn um diese Zeit im Keller?«
»Oh, ich habe … wir haben das Holz geschlichtet«, sagt sie und weicht dabei meinem Blick aus.
»Das Holz geschlichtet? Du und Tessa?«, frage ich verwundert.
»Nicht Tessa. Ich und Manfred«, murmelt sie, und dabei wird sie rot. In dem Moment schiebt sich Manfred hinter ihr die Treppe hoch, und auch er wirkt ein bisschen außer Atem. »Stimmt’s, Manfred?« Lissy wirft ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. »Wir haben gerade das Holz geschlichtet , nicht wahr?«
Manfred guckt sie erstaunt an, dann scheint ihm ein Licht aufzugehen. »Ja, genau«, strahlt er mit seinen Kinderaugen. »Wir haben das Holz geschlichtet. Zweimal hintereinander«, fügt er stolz hinzu.
Fasziniert starre ich die beiden an. Lissy und Manfred. Darauf wäre ich nie im Leben gekommen. Sie sind doch grundverschieden. Lissy ist superintelligent, Manfred dagegen … hat enorme Muskeln.
»Lissy, ich wusste ja gar nicht«, stammle ich. »… dass du und Manfred … ihr beide …«
»Was?«, faucht sie mich plötzlich an. »Da ist nichts, absolut nichts. Außer ein bisschen Holz, das wir geschlichtet haben.« Sie schiebt trotzig die Unterlippe vor, und ich kann förmlich spüren, wie sie nach etwas sucht, um das Thema zu wechseln. »Was hast du denn da in den Tüten?«, fragt sie auf einmal.
»In den Tüten?« Cleverer Schachzug von ihr. Jetzt werde ich ein bisschen rot. »Unterwäsche und Handtücher und … Lebensmittel.«
»Lebensmittel?« Lissys Augen verengen sich. »In Valentino-Tüten?«
»Valentino?« Ich drehe die Tüten und tue so, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. »Tatsächlich. Muss
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