Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
konnten und jetzt mit leeren Händen dastehen. Denken Sie an Ihren Onkel Franz!«
»Er ist nicht mein Onkel, sondern der meiner Freundin Lissy«, korrigiere ich ihn.
»Von mir aus. Halten Sie sich stets sein Schicksal vor Augen, wenn Sie in Versuchung kommen.«
»Das werde ich, Herr Fortunatus.«
»Versprochen?«
»Ja, versprochen.«
Okay, also vorerst kein Geld. Erich Fortunatus hat ja recht. Ich muss nur noch eine lächerliche Woche durchhalten, und das werde ich doch wohl irgendwie schaffen. Wäre doch gelacht.
Aber als Erstes muss ich Land gewinnen. Hofstätters Stimme liegt mir noch immer unangenehm in den Ohren, und dem ist es zuzutrauen, dass er wieder hier aufkreuzt, um mir Dampf zu machen.
Gerade als ich mir mein Täschchen schnappe, geht die Tür auf, und eine kleine, rundliche Person schiebt sich zaghaft herein.
»Frau Schuhmann, das ist ja eine Überraschung.« Ich muss unwillkürlich lächeln. Frau Schuhmann, meine Lieblingskundin. Es ist richtig rührend, wie sie eifrig an ihrem neuen Image bastelt, und sie sieht jetzt auch wirklich viel besser aus als noch vor einigen Wochen. Sie hat eine gute Farbe im Gesicht, ist leicht geschminkt, wie ich ihr geraten habe, und die neue Frisur und das grüne Kostüm stehen ihr ganz ausgezeichnet.
Dennoch wirkt sie irgendwie bedrückt, als sie jetzt sorgfältig die Tür hinter sich schließt.
»Molly, wie gut, dass ich Sie hier noch antreffe«, sagt sie und kommt mit vorsichtigen Schritten auf mich zu.
»Was kann ich denn für Sie tun, Frau Schuhmann?«, frage ich, während ich ihr die Hand schüttle und sie zum Besucherstuhl führe.
»Ach, ich weiß nicht.« Sie sinkt auf den Stuhl wie ein Häufchen Elend. »Diese Operation …« Sie macht eine hilflose Geste mit den Händen.
»Aber Frau Schuhmann, das haben wir doch schon besprochen.«
Ich habe sie letzten Montag angerufen und ihr klarzumachen versucht, dass sie weder eine neue Nase noch ein Facelifting braucht.
»Ja, ich weiß«, sagt sie gequält. »Aber Ihre Chefin hat mich gestern angerufen, weil ich den Besprechungstermin bei Ihrem Arzt storniert habe, und jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher …«
»Sie haben Clarissa doch nicht etwa gesagt, dass ich Ihnen die Operation ausgeredet habe?«, frage ich erschrocken.
Natürlich habe ich ihr bei unserem Gespräch erklärt, dass meine Chefin niemals erfahren darf, dass ich hinter der Absage stecke, aber ich weiß auch, wie schwer es ist, Clarissa etwas zu verschweigen.
»Nein, nein, natürlich nicht«, sagt Frau Schuhmann, und ich atme erleichtert auf. »Ich habe gesagt, dass ich das mit meinem Mann besprochen habe und dass er es nicht möchte. So, wie Sie es mir geraten haben.«
»Sehr gut, ganz hervorragend«, lobe ich sie. »Und was hat Clarissa daraufhin gesagt?«
»Sie hat gesagt …« Frau Schuhmann atmet plötzlich schwer, und ihre Augen beginnen sich mit Wasser zu füllen.
»Um Gottes willen, Frau Schuhmann«, sage ich erschrocken. »Was hat sie denn gesagt?«
»Sie hat gesagt, dass sie diese Sorte Mann nur zu gut kennt.« Frau Schuhmann kommen die Worte sichtlich schwer über die Lippen. »Und dass die an den eigenen Frauen sparen und ihr Geld lieber zu den anderen tragen, den jüngeren … mit schönen Nasen und ohne hässliche Falten.«
Ich fasse es nicht. Ich fasse es nicht. Clarissa ist wirklich das Letzte.
Einem plötzlichen Impuls folgend fasse ich Frau Schuhmann an den Schultern und ziehe sie aus ihrem Stuhl hoch.
»Kommen Sie mal mit, Frau Schuhmann!« Ich führe sie zu dem großen Spiegel an der Wand. »Was sehen Sie?«
Sie blinzelt überrascht. »Ich sehe … mich. Und Sie«, fügt sie konzentriert hinzu, als stünde sie in einer Prüfung.
»Vergessen Sie mich«, sage ich. »Konzentrieren wir uns einzig und allein auf Sie. Also, was sehen Sie?«
»Also … ich weiß nicht.« Ihr Blick tanzt unsicher zwischen ihrem Spiegelbild und meinem hin und her.
»Dann will ich Ihnen auf die Sprünge helfen, Frau Schuhmann: Also, ich sehe eine wunderbare Frau in den besten Jahren, eine Großmutter, eine liebende und – da bin ich mir ganz sicher – auch geliebte Ehefrau. Glauben Sie mir, Frau Schuhmann, Ihre Nase ist überhaupt nicht hässlich, und die paar Fältchen, die machen Sie nur noch sympathischer. Lachfalten zeigen doch nur, dass Sie ein humorvoller Mensch sind. Sehen Sie genau hin, Frau Schuhmann.« Ich nicke ihr aufmunternd zu und deute auf ihr Spiegelbild. »Sie sind eine attraktive, warmherzige und kluge Frau,
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