Molly Becker 01 - Hilfe, ich bin reich
automatisch auch meine Mutter davon erfährt (das ist die einzige Sicherheitslücke bei Paps), und damit wäre dann alles gelaufen.
Mami kann nämlich Geheimnisse einfach nicht für sich behalten. Sobald sie etwas wirklich Intimes erfährt, muss sie es ihren engsten Freundinnen mitteilen, das scheint bei ihr irgendwie angeboren zu sein. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in der sechsten Klasse zum ersten Mal meine Regel bekam und es ihr unter dem allerstrengsten Siegel der Verschwiegenheit anvertraute. Mami versprach, keiner Menschenseele davon zu erzählen, und nur drei Tage später hatte ich in meiner Klasse auf einmal den Spitznamen »Menstru-Molly«. Damit nicht genug, änderte das wenig später irgendein Witzbold in »Monster-Molly« um.
Toll, was? Ist echt vorteilhaft für die seelische und geistige Entwicklung einer pubertierenden Zwölfjährigen, so genannt zu werden, und ich wundere mich heute noch, dass aus mir unter diesen Voraussetzungen keine völlig gestörte Chaotin geworden ist.
Ich habe das Mami nie verziehen, obwohl sie ansonsten der warmherzigste und liebste Mensch auf der Welt und für mich die perfekte Mutter ist, und damals habe ich mir auch geschworen, sie nie wieder in eines meiner Geheimnisse einzuweihen.
Jedenfalls, nachdem wir diesen peinlichen Moment erst mal hinter uns gebracht hatten, blieb ich dann gleich das ganze Wochenende bei meinen Eltern. Wir unternahmen ausgedehnte Spaziergänge wie früher, guckten uns alte Filme aus meiner Kindheit an, und Mami verwöhnte uns mit leckerem Essen. Richtig schön war das, aber ich konnte es nicht wirklich genießen, schwebte doch die ganze Zeit dieses leidige Geldproblem über mir. Mehr als einmal stand ich knapp davor, alles zu erzählen, konnte mich aber jedes Mal gerade noch im letzten Moment am Riemen reißen.
Am allerschlimmsten war es heute Morgen, als ich mit Paps zu seiner Bank fuhr. Paps ist ein sehr ruhiger und souveräner Mensch, aber als ich ihm gestand, dass ich vorübergehend zehntausend Euro bräuchte, geriet er doch ein wenig außer Fassung. Dennoch holte er schließlich das Geld und gab es mir. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht so geschämt wie in dem Augenblick, als ich ihm versicherte, dass er es bis spätestens Ende der Woche zurückbekäme, und er mit einem herzzerreißenden Kind-ich-liebe-dich-aber-könntest-du-nicht-ein-bisschen-cleverer-sein-Blick meinte, klar, so wie die letzten zweitausend, die ich mir vor drei Monaten von ihm geborgt hatte. Ich kam mir so verlogen vor, so feige, weil ich mich nicht einmal meinem eigenen Vater anvertrauen konnte, aber dennoch blieb ich standhaft.
Einmal Monster-Molly und nie wieder.
Aber immerhin habe ich mir fest vorgenommen, sie für die vielen Sorgen ganz toll zu entschädigen. Ich weiß noch nicht genau, wie ich es anstellen werde, aber meine Eltern werden demnächst das beste und größte Geschenk ihres Lebens erhalten, das habe ich mir geschworen.
So, jetzt aber zu Hofstätter. Mir wird ganz mulmig zumute, als ich die Bank betrete. Ich habe noch immer vor Augen, wie er nach Tessas Kleberattentat in seinem Wagen herumrotiert ist, und ich habe keine Ahnung, wie er reagieren wird, wenn er mich jetzt sieht.
»Frau Becker!« Er stürzt sich auf mich wie ein Adler im Sturzflug.
Ich ziehe automatisch den Kopf ein. »Guten Morgen, Herr Hofstätter«, sage ich mit dem Versuch eines Lächelns.
»In mein Büro!« Mann, so wütend habe ich den noch nie erlebt.
»Wissen Sie, dass ich letzten Freitag nur ganz kurz davor stand, Ihre Freundin anzuzeigen?«, faucht er mich an, noch bevor ich mich hingesetzt habe.
»Aber daran waren Sie doch selber schuld«, gehe ich gleich in die Offensive, wie ich es mir vorher ausgedacht habe. Angriff ist schließlich noch immer die beste Verteidigung.
»Selber schuld?!«, echot er ungläubig. Dann holt er Luft und legt los: »Also, das ist ja ein starkes Stück, Frau Becker. Sie überziehen Ihr Konto in einem Tempo, wie ich es noch nie erlebt habe, und wenn ich dann freundlicherweise versuche, ein klärendes Gespräch mit Ihnen zu führen, anstatt gleich Ihr Konto zu sperren, geht Ihre Freundin auf mich los wie eine wild gewordene Amazone.«
»Also, jetzt übertreiben Sie aber«, wende ich ein. »Ein bisschen Kleber an der Hand ist doch wohl nicht so schlimm …«
»Ein bisschen Kleber ist gut!« Er hebt die rechte Hand in die Höhe und präsentiert mir seine Handfläche. Ich reiße die Augen auf. An seiner Hand kleben lauter
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