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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Ihr volles Haar, das noch immer feucht war von der Dusche, nachdem sie sich geliebt hatten, trug sie nach hinten mit einem Seidenschal zusammengebunden. Das mit Blumenmustern bedruckte Chiffonkleid lag wie eine zweite Haut auf ihrem muskulösen Körper, ihr vorspringender, großzügiger Busen wirkte wie die meisterliche Ausschmückung eines verspielten Architekten. Auf Strümpfe hatte sie verzichtet, und sie trug braune Mokassins mit hohen Absätzen, die sie Diego noch einmal um gut fünf Zentimeter überragen ließen. Der Lippenstift auf ihrem Mund lud dazu ein, verschmiert zu werden. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, als sie das Restaurant betraten.
    »Max! Wo ist denn dieser faule Muschelsammler? Weiß er nicht, wie er seinen eigenen Laden zu führen hat? Er hat heute Abend wichtige Gäste, und wir wollen den besten Tisch des Hauses!«
    Maxwell Famagusta kam – durch die Unruhe aufmerksam geworden – aus der Küche gelaufen. Der Mann war ein rundlicher, allmählich kahl werdender Riese, der sich auf beide Unterarme Anker hatte tätowieren lassen. Er strahlte eine Vitalität aus, die es mit der von Volusia aufnehmen konnte, und er schien völlig begeistert davon, von ihr auf diese so unmögliche Art und Weise öffentlich herausgefordert zu werden.
    »Du verdammtes Weib! Ich habe dich nicht erkannt, weil dein Gesicht sauber ist! Wo ist denn deine übliche Schicht aus Ruß und Asche? Und wer ist dieser milchgesichtige Welpe da bei dir? Was wird denn jetzt aus unserem heißen Rendezvous für heute Abend?«
    »Meinst du etwa, ich werde nicht mit zwei Männern gleichzeitig fertig? Aber ich fürchte, du hast überhaupt keine Ahnung, Max. Heutzutage bevorzuge ich Künstler. Die sind im Bett viel kreativer. Und Diego hier vögelt so gut wie er schreibt – mit anderen Worten: göttlich!«
    Entsetzt ließ Diego einen schmerzhaften Händedruck von Famagusta sowie einen so kraftvollen Klaps auf den Rücken über sich ergehen, dass er fast befürchtete, alle Rippen müssten von seinem Rückgrat abbrechen. »Viel Glück, mein Junge! Das wirst du auch brauchen, um diese Frau zufrieden zu stellen!«
    Famagustas Lokal lag am Flusswärts-Ende der Querstraße Gritsavage-905. Das Gebäude, dessen rückwärtige Seite bis ans Wasser reichte, beherbergte die Küche und die Plätze im Inneren. Das Restaurant insgesamt breitete sich aber bis auf die angrenzende Helling aus und war eine lange Betonmole, die von einfachen Anlässen bis hin zum edlen Abendessen genutzt werden konnte, indem beispielsweise für die letztere Möglichkeit Dielenbretter ausgelegt und zwischen den Pfosten ringsum Samtbänder gespannt werden konnten. An einem so herrlichen Sommerabend wie diesem war die Nachfrage nach den Tischen unter freiem Himmel am größten. Max Famagusta führte Diego und Volusia an der Schlange der wartenden Gäste vorbei, die ihnen wütende Blicke zuwarfen, hin zu dem gewünschten Tisch direkt am Ende der Helling.
    »Wir erwarten noch zwei Freunde, Max.«
    »Ich werde sie direkt herbringen.«
    Mit der Speisekarte in der Hand hielt Diego einen Moment lang inne, um die Aussicht auf die Abenddämmerung in sich aufzunehmen. Der Fluss war um ein Mehrfaches breiter als der Broadway und erstreckte sich nach rechts und links schier bis in die Unendlichkeit. Schiffe von unterschiedlichster Größe mit Kontrolllichtern in den Farben Grün und Rot, Weiß und Bernstein bahnten sich ihren Weg durch das ruhige Gewässer und ließen Hörner und Pfeifen ertönen. Alle Wasserfahrzeuge blieben dabei genau in einer Fahrrinne, die in der Flussmitte ihren Anfang nahm. Jenseits dieser unsichtbaren Grenze begannen die wallenden Nebel, die die Sicht auf das Ferne Ufer nahmen.
    »Was glaubst du, wie viele Hummer ich essen kann, Schatz?«
    »Die Frage sollte besser lauten, wie viele wir uns leisten können.«
    »Knauser! Willst du deine verhungernde Freundin kurz halten? Es ist schließlich nur ein Essen. Stell dir vor, ich würde Pelzmäntel und Diamanten mögen! Was dann? Aber egal, heute geht die Rechnung ohnehin auf mich. Ich habe den ersten Gehaltsscheck für meinen neuen Posten als Captain erhalten. Davon kann ich sogar deine bedürftigen Freunde einladen.«
    »Wenn du darauf bestehst. Aber natürlich ist Zohar genau betrachtet nicht mehr bedürftig.«
    »In geistiger Hinsicht schon. Und wir haben seinen Status noch gerade rechtzeitig unter uns klären können, denn da kommen die beiden.«
    Zohar Kush und Milagra Eventyr schlenderten die Helling entlang.

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