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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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untersten Ebene der Hierarchie noch am besten ab. Was das Ganze umso entwürdigender machte, war die Tatsache, dass Mirror Worlds weitaus auflagenstärker war als die meisten anderen Pinney-Magazine.
    »In keiner Weise!«, erwiderte der zerzauste und Brille tragende Redakteur jedes Mal, wenn er gefragt wurde, ob ihn dieser Widerspruch nicht ärgere. »Wie könnten solche trivialen Vorrechte – oder ihr Fehlen – die Bedeutung der literarischen Arbeit schmälern, die wir hier leisten? Kosmogonische Fiktion ist die wichtigste Literaturgattung unter den Sonnen. Ich würde sogar von Jenseits der Gleise meine Arbeit erledigen, wenn es sein müsste.«
    Diego lächelte, als er das MW -Vorzimmer betrat, sich an manch anregende Unterhaltung mit dem überheblichen Compounce erinnerte und überlegte, was der heutige Tag wohl bringen würde. Jeder Besuch bei dem unvergleichlichen Redakteur versprach unvorhersehbare Freuden und Herausforderungen.
    Compounces treu dienende rechte Hand – eine gezierte, aber zynische alte Jungfer namens Vizzy Longstreth, die die Haare immer streng zum Dutt zurückgekämmt trug – schien von dem Dröhnen unter ihren Füßen nichts wahrzunehmen. Sie winkte Diego mit einem Bleistift, als sei sie ein gelangweilter Wachposten, der freundlich mit einer Bewegung seines Speers grüßte, und sagte: »Fischl ist gerade bei ihm, aber Sie können sich ruhig dazusetzen. Ich weiß, dass der alte Pinney Sie beide schnellstmöglich sehen will, und wenn Winnie nicht unterbrochen wird, dann dürfte er den armen Fischl den ganzen Morgen über quälen.«
    Longstreth war die Einzige, die Compounce ›Winnie‹ nennen durfte, ohne sich dessen hitzigen Zorn zuzuziehen. Diego dankte ihr lächelnd und ging ins nächste Büro.
    Kufi Fischl saß auf der vordersten Kante seines Stuhls, der vor Compounces mit Papier buchstäblich übersätem Schreibtisch stand. Die ernste Miene und die fast schon olivgrüne Gesichtsfarbe des jungen Autors bildeten einen krassen Gegensatz zu dem strahlenden, von sich überzeugtem Gesicht, das Compounce zur Schau trug. Trotz der Augusthitze, die von den Maschinen im Stockwerk darunter zusätzlich angeheizt wurde und die in dem fensterlosen Büro praktisch gefangen war, trug der Redakteur seine übliche karierte Weste und redete in voller Fahrt auf Fischl ein. In rascher Folge bombardierte er den Autor mit Konzepten, deren logische Zusammenhänge nicht immer erkennbar waren.
    »Sehen Sie mal, Fischl, es genügt nicht länger, über Ringwelten zu schreiben. Das war zu seiner Zeit natürlich eine große Erfindung, aber wir müssen über die bekannten Weisheiten hinaus vordringen. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was wäre, wenn eine Welt die Konfiguration eines Möbiusbandes annehmen würde?«
    »Ich verstehe nicht so…«
    »Ach, verdammt, das ist doch offensichtlich!« Compounce riss einen Streifen vom ersten Blatt des Manuskripts irgendeines glücklosen Schriftstellers ab. »Wenn wir die beiden Enden dieses Streifens miteinander verbinden, der für unsere oder eine ähnliche Welt steht, dann erhalten wir eine einfache Ringfläche. Möglicherweise die minimale Energiekonfiguration unserer eigenen Welt. Die Stadtbestie beißt sich selbst in den Schwanz! Aber um einen beliebigen Punkt auf der Oberfläche zu erreichen, ist man insofern eingeengt, als dass man nur in zwei räumlichen Dimensionen reisen kann. Was aber, wenn wir einen besonderen Dreh hinzufügen, bevor wir die beiden Enden verbinden?«
    Compounce ließ seinen Worten Taten folgen und hob ein zusammengeheftetes Möbiusband hoch.
    »Eine einzige Planetenoberfläche, kein Innen, kein Außen. Stellen Sie sich eine dritte Dimension des Reisens vor, bei der man in die Tiefen dieser Welt hinabsteigt, ihren Mittelpunkt durchquert und dann auf der anderen, bewohnbaren Seite wieder herauskommt. Technisch gesehen natürlich die gleiche Seite, von der aus Sie sich auf den Weg gemacht haben, aber so weit vom Ausgangspunkt entfernt wie nur irgend möglich! Im Ergebnis bekommen Sie so eine Abkürzung durch Raum und Zeit.«
    Fischl schien das sprichwörtliche Licht aufzugehen. »Jetzt verstehe ich! Was für ein gewagter Gedanke! Außerdem verdoppelt man so die bewohnbare Oberfläche, indem man den nutzlosen Teil im Inneren des Ringes beseitigt.«
    »Bravo! Dann gehen Sie jetzt nach Hause zu Ihrer Schreibmaschine und liefern Sie mir eine Überarbeitung von ›Die umgrenzte Stadt‹, die die Leser im nächsten Monat vom Hocker

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