Moloch
in die Magengrube verpasst. Diego stellte sich vor, wie die Flammen nach der roten Trompete züngelten. Doch es gab schlichtweg keine Möglichkeit auf eine Wiedergutmachung dieser frevelhaften Vorgehensweise.
Die Days on the Yann legte vom Dock ab und näherte sich erst am nächsten Tag wieder dem Ufer, als sie mehrere Gemeinden zwischen sich und Palmerdale wussten. Dort wandten sie sich an die zwischengemeindlich wohltätige Organisation Hilfe für Reisende, die die Gruppe mit Kleidung und Vorräten für die Rückkehr ausstattete, außerdem mit Gutscheinen, die sie in anderen Gemeinden einlösen konnten.
Rumbold Prague kam triumphierend an Bord zurück, da er inmitten der Spenden unter anderem eine ramponierte Trompete entdeckt hatte. An diesem Abend spielte er für Copperknob ein strahlendes Requiem, und es gelang ihm irgendwie, den Geist des Mannes zu beschwören, indem er Kaskaden melancholischer Noten spielte, die so gewaltig waren wie der Bürgermeister.
In seine alte Strickjacke mit aufgesetzten Taschen eingehüllt, die ihn vor der Kälte des frühen Dezember schützte, stand Diego gegen die vordere Messingreling der Days on the Yann gelehnt und sah mit an, wie sie sich auf dem dunklen Wasser allmählich seiner heimatlichen Gemeinde näherten, in der die sinkende Tagsonne über Downtown schräge Schatten warf. Die Jahreszeitensonne war längst nicht mehr zu sehen, sondern spendete anderen Bezirken der Stadt Wärme und ließ diese vertrauten, durch den Broadway aufgeteilten Gebäude, die Diego sein Zuhause nannte, wie Schachfiguren vor der Schlacht angeordnet dastehen.
Volusia stand neben ihm und hatte sich in eine dicke Schiffsdecke gehüllt, die vor der Kälte zusätzlichen Schutz bot. Seit den letzten quälenden Tagen in Palmerdale war sie launenhaft und empfänglich für Augenblicke geworden, in denen es ihr einfach nicht warm werden wollte. Diego konnte ihr diese persönliche Reaktion auf die Tragödie nicht verdenken. Er selbst fühlte sich als Folge des unrühmlichen Höhepunkts ihrer ›kulturellen Mission‹ wankelmütig und ziellos.
»Ich werde so froh sein, wenn ich wieder einen Fuß in das wunderwunderschöne Gritsavage setzen kann«, sagte Volusia. »Wenn ich niemals wieder eine Reise machen werde, ist es mir auch gleich.«
»Mir geht es nicht anders.«
»Wirklich eine Schande, dass unsere hohen Erwartungen so enden mussten.«
»Wir können nur froh sein, dass wir noch leben.«
Gegen Mitternacht vor Gimletts geschlossenem Geschäft nahm Diego Volusias Hand. Die Bilder, Geräusche und Gerüche von Gritsavage weckten in ihm eine heftige Nostalgie, eine Dankbarkeit, die so groß war, dass sie den Herzschlag aussetzen ließ. Seine Laune besserte sich drastisch, und schon jetzt konnte er sich vorstellen, wie sich die widerwärtigen Überreste dieses jüngsten Albtraums von seiner Seele hoben.
»Diego, ich möchte heute Nacht nicht allein sein.«
»Nein, natürlich nicht. Wir übernachten bei mir, und morgen früh besuchen wir meinen Vater.«
»Gut, dann lass uns nach oben gehen.«
Die Luft in seinem Apartment war so muffig, dass Diego ein Fenster aufreißen musste. Er drehte den Thermostat nach oben, damit die Heizung ansprang, doch auch eine halbe Stunde später waren die Heizkörper noch immer eiskalt. Wütend eilte Diego zur Wohnung seines Vermieters und trommelte gegen die Tür, doch Rexall Glyptis ließ sich nicht blicken, so dass Diego den Rückzug antreten musste.
»Lass uns zu dir gehen, Vol. Dieses Loch ist wie eine Kühltruhe. Morgen ziehe ich hier aus.«
»Nein, ich bin zu erschlagen. Leg noch ein paar Decken mehr über, dann ist das in Ordnung.«
Diego folgte ihrem Ratschlag, dann legten sie sich unter den Stapel aus Bettdecken und waren bereits eingeschlafen, noch ehe sie merken konnten, wie die Müdigkeit sie übermannte.
Gegen drei Uhr in der Nacht schreckte Diego hoch.
Jemand war bei ihnen im Zimmer und flüsterte etwas.
»Dee, Dee, kannst du mich hören?«
Zögernd erwiderte Diego im Flüsterton: »Wer ist da? Was wollen Sie?«
»Ach, das ist ja wunderbar! Endlich treffe ich dich an, nachdem ich es schon so oft versucht hatte. Dee, ich bin’s, Zohar!«
Volusia schnarchte und ließ sich durch nichts aus dem Schlaf reißen. Diego stand auf und ging zu seinem Radio. Es war nicht eingeschaltet, die Skala war nicht beleuchtet, dennoch drang die Stimme von Zohar Kush aus dem Gerät.
»Ich kann nicht lange reden, Dee. Es ist heute Nacht zu viel Betrieb. Hör
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