Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
Vom Netzwerk:
2002
     
     
    Maximus Minor
     
    Während sich der Sieg der Amerikaner in Afghanistan immer deutlicher abzeichnet, sehe ich unwillkürlich die Anfangsszenen des Kinofilms Gladiator vormir. Die Barbaren in ihrer Fellkleidung haben den Römern den abgetrennten Kopf des römischen Unterhändlers vor die Füße geworfen und führen einen wilden, mordlüsternen Tanz auf. Der römische General, Maximus, erinnert seine Kommandeure an die wichtigsten Tugenden – »Ehre und Stärke« – und gibt danach leise den Befehl: »Wartet auf mein Zeichen, dann entfesselt die Hölle.« Im zur Zeit herrschenden Krieg gegen den islamischen Terrorismus kann man George W. Bush durchaus als den Maximus Amerikas bezeichnen.
     
    Jack Wheeler, Soldier of Fortune, März 2002
     
     
    »Die Clowns haben die Macht im Zirkus übernommen.« Major Nye fuhr mit Una Persson zur Küste hinunter, wo sie sechs Wochen lang in Oh, What A Lovely War auf dem Brighton Pier, auftreten sollte, dem ursprünglichen Ort des Geschehen.
    »Haben Sie heute schon die Nachrichten gehört? Oh, Junge! Ich glaube, es war unvermeidlich. Als sie sich nur um die Politik kümmerten, habe ich mir keine großen Sorgen gemacht. Aber jetzt der Zirkus! Ich habe den Zirkus immer geliebt. Als ich noch ein Junge war, schlug jedes Jahr ein großer Zirkus bei uns seine Zelte auf.«
    Dem alten Administrator war allmählich anzusehen, dass er in die Jahre kam. Nyes blassblaue Augen leuchteten hell in seinem verwitterten Gesicht. Sein attraktiver Schädel war nahezu fleischlos. Seine dünnen grauen Haare waren sorgfältig gekämmt, doch seinem Schnurrbart fehlte die alte Spannkraft. In einem dunklen Anzug, der zwei Nummern zu groß für ihn war, sah er so jung aus wie damals, als er von der Burma Road zurückgekehrt war und das erste Mal wieder Zivilklamotten trug.
    Seine blassen, von Adern durchzogenen Hände, die das schwarze Lenkrad hielten, ragten aus den fingerlosen Handschuhen wie abgenagte Knochen. »Billy Smart, glaube ich. Oder war es Lord George Sanger? Sie waren damals Konkurrenten. Dann tauchten diese herumreisenden Zirkus-Shows aus Russland und Frankreich und so weiter bei uns auf. Allesamt erstklassige Akrobaten, denke ich. Aber nicht nach meinem Geschmack. Für mich sind Tiger und Clowns das, was ich einen Zirkus nenne. Löwenbändiger. Reiterinnen. Weiße Ponys. Kunstschützen. Elefanten. Mein Onkel hat Buffalo Bill im Earl’s Court noch persönlich kennen gelernt. Ich hätte wer weiß was dafür gegeben, Buffalo Bill sehen zu können. Und dann gab es da noch Annie Oakley! Was meinen Sie, war sie Jüdin?«
    Indem er fachmännisch in den Gängen herumschaltete, kurvte er um tiefe Löcher herum, die eine Clusterbombe in die Fahrbahn der M-25 gegraben hatte. »Verdammte amerikanische Schießkünste. Da denkt man sofort an die Gesetzlosen und die Kentucky Riflemen und so weiter. Es ist verdammt gefährlich, sich auf seinen eigenen militärischen und politischen Legenden auszuruhen. Sie waren vermutlich daran gewöhnt, wie wild um sich zu schießen und zu treffen. Sie haben ein Vermögen für technische Spielereien ausgegeben. Die Yanks setzen eine ganze Menge Vertrauen in solche Mätzchen. Sie trainieren ausschließlich in Automatenspielhallen, wissen Sie. Virtuelle Erfahrung. Virtuelle Autorität. Simple Arithmetik. Sie sind in Elektronik verliebt. Sie kriegen nicht genug davon.«
    »Sie waren schon erheblich verunsichert, ehe es richtig losging.« Una war nicht ohne Mitgefühl. »Ihnen dämmerte allmählich, wie unzulänglich ihre Ausbildung gewesen war. Auch daran wollten sie einiges ändern.«
    »Was halten Sie denn von diesem so genannten ›Anti-Amerikanismus‹? Ausgesprochen un-britisch, nicht wahr?« Als ein längeres gerades Stück Straße vor ihm lag, holte er etwas zu rauchen aus der oberen Brusttasche seines Overalls, schnippte mit dem Daumen den Deckel des Etuis auf und steckte sich eine dünne Selbstgedrehte zwischen die Lippen. »Vor 40 Jahren, als ich das erste Mal mit der CIA zu tun hatte, wimmelte es dort von gebildeten, humorvollen jungen Männern, die sich ganz gut auskannten. Sie hatten anständige Hochschulabschlüsse. Kannten ein paar Fremdsprachen. Gute Manieren. Sportsgeist. Sie waren wie die junge Garde im Außenministerium. Die Besten von ihnen wollten natürlich zurück in die Heimat, aber am Ende besannen sie sich und taten stets ihre Pflicht. Kim, Lawrence, Samson. Gute Leute. Sie selbst haben ja auch gedient. Was halten Sie denn von dieser

Weitere Kostenlose Bücher