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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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naturgetreu gemacht, daß man sie beinahe für einen kleinen Menschen halten konnte. Aber sie sah nicht aus wie ein Kind oder ein Baby, sondern wie eine schicke junge Dame oder eine Schaufensterfigur. Sie trug ein rotes Kleid mit kurzem Rock und Riemchenschuhe mit hohen Absätzen. Momo starrte sie fasziniert an.
Als sie sie nach einer Weile mit der Hand berührte, klapperte die Puppe einige Male mit den Augendeckeln, bewegte den Mund und sagte mit einer Stimme, die etwas quäkend klang, als käme sie aus einem Telefon: „Guten Tag. Ich bin Bibigirl, die vollkommene Puppe.“
Momo fuhr erschrocken zurück, aber dann antwortete sie unwillkürlich: „Guten Tag, ich heiße Momo.“
Wieder bewegte die Puppe ihre Lippen und sagte: „Ich gehöre dir. Alle beneiden dich um mich.“
„Ich glaub' nicht, daß du mir gehörst“, meinte Momo. „Ich glaub' eher, daß dich jemand hier vergessen hat.“
Sie nahm die Puppe und hob sie hoch. Da bewegten sich deren Lippen wieder und sie sagte: „Ich möchte noch mehr Sachen haben.“
„So?“ antwortete Momo und überlegte. „Ich weiß nicht, ob ich was hab', das zu dir paßt. Aber warte mal, ich zeig' dir meine Sachen, dann kannst du ja sagen, was dir gefällt.“
Sie nahm die Puppe und kletterte mit ihr durch das Loch in der Mauer in ihr Zimmer hinunter.
Sie holte eine Schachtel mit allerlei Schätzen unter dem Bett hervor und stellte sie vor Bibigirl hin. „Hier“, sagte sie, „das ist alles, was ich hab'. Wenn dir was gefällt, dann sag's nur.“
Und sie zeigte ihr eine hübsche bunte Vogelfeder, einen schön gemaserten Stein, einen goldenen Knopf, ein Stückchen buntes Glas. Die Puppe sagte nichts und Momo stieß sie an.
„Guten Tag“, quäkte die Puppe, „ich bin Bibigirl, die vollkommene Puppe.“
„Ja“, sagte Momo, „ich weiß schon. Aber du wolltest dir doch was aussuchen, Bibigirl. Hier hab' ich zum Beispiel eine schöne rosa Muschel. Gefällt sie dir?“
„Ich gehöre dir“, antwortete die Puppe, „alle beneiden dich um mich.“
„Ja, das hast du schon gesagt“, meinte Momo. „Aber wenn du nichts von meinen Sachen magst, dann können wir vielleicht spielen, ja?“
„Ich möchte noch mehr Sachen haben“, wiederholte die Puppe.
„Mehr hab' ich nicht“, sagte Momo. Sie nahm die Puppe und kletterte wieder ins Freie hinaus. Dort setzte sie die vollkommene Bibigirl auf den Boden und nahm ihr gegenüber Platz.
„Wir spielen jetzt, daß du zu mir zu Besuch kommst“, schlug Momo vor.
„Guten Tag“, sagte die Puppe, „ich bin Bibigirl, die vollkommene Puppe.“
„Wie nett, daß Sie mich besuchen!“ erwiderte Momo. „Woher kommen Sie denn, verehrte Dame?“
„Ich gehöre dir“, fuhr Bibigirl fort, „alle beneiden dich um mich.“
„Also hör' mal“, meinte Momo, „so können wir doch nicht spielen, wenn du immer das gleiche sagst.“
„Ich möchte noch mehr Sachen haben“, antwortete die Puppe und klimperte mit den Wimpern.
Momo versuchte es mit einem anderen Spiel, und als auch das mißlang, mit noch einem anderen und noch einem und noch einem. Aber es wurde einfach nichts daraus. Ja, wenn die Puppe gar nichts gesagt hätte, dann hätte Momo an ihrer Stelle antworten können, und es hätte sich die schönste Unterhaltung ergeben. Aber so verhinderte Bibigirl gerade dadurch, daß sie redete, jedes Gespräch. Nach einer Weile überkam Momo ein Gefühl, das sie noch nie zuvor empfunden hatte. Und weil es ihr ganz neu war, dauerte es eine Weile, bis sie begriff, daß es die Langeweile war.
Momo fühlte sich hilflos. Am liebsten hätte sie die vollkommene Puppe einfach liegen lassen und etwas anderes gespielt, aber sie konnte sich aus irgendeinem Grund nicht von ihr losreißen. So saß Momo schließlich nur noch da und starrte die Puppe an, die ihrerseits wieder mit blauen, gläsernen Augen Momo anstarrte, als hätten sie sich gegenseitig hypnotisiert.
Schließlich wandte Momo ihren Blick mit Willen von der Puppe weg - und erschrak ein wenig.
Ganz nah stand nämlich ein elegantes aschengraues Auto, dessen Kommen sie nicht bemerkt hatte. In dem Auto saß ein Herr, der einen spinnwebfarbenen Anzug anhatte, einen grauen steifen Hut auf dem Kopf trug und eine kleine graue Zigarre rauchte. Auch sein Gesicht sah aus wie graue Asche.
Der Herr mußte sie wohl schon eine ganze Weile beobachtet haben, denn er nickte Momo lächelnd zu. Und obwohl es so heiß an diesem Mittag war, daß die Luft in der Sonnenglut flimmerte, begann Momo plötzlich zu

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