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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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leise. Und dann fragte er noch leiser: „Seid ihr denn keine?“
Da erhob sich der alte Straßenkehrer in seiner ganzen, nicht sehr beträchtlichen Größe, streckte drei Finger in die Höhe und sprach: „Ich hab' noch nie - noch niemals habe ich in meinem Leben dem lieben Gott oder einem Mitmenschen das kleinste bißchen Zeit gestohlen. Das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe!“
„Ich auch!“ fügte Momo hinzu.
„Und ich auch!“ sagte Gigi ernst.
Die Kinder schwiegen beeindruckt. Keines unter ihnen bezweifelte die Worte der drei Freunde.
„Und überhaupt, jetzt will ich euch mal was sagen“, fuhr Gigi fort. „Früher sind die Leute immer gern zu Momo gekommen, damit sie ihnen zuhört. Sie haben sich dabei selbst gefunden, wenn ihr versteht, was ich meine. Aber jetzt fragen sie danach nicht mehr viel. Früher sind die Leute auch immer gern gekommen, um mir zuzuhören. Dabei haben sie sich selbst vergessen. Danach fragen sie auch nicht mehr viel. Sie haben keine Zeit mehr für so was, sagen sie. Und für euch haben sie auch keine Zeit mehr. Merkt ihr was? Es ist doch merkwürdig, wofür sie keine Zeit mehr haben!“
Er machte die Augen schmal und nickte. Dann fuhr er fort: „Neulich habe ich in der Stadt einen alten Bekannten getroffen, einen Friseur, Fusi heißt er. Ich hatte ihn eine Weile nicht mehr gesehen und hätte ihn bald nicht mehr wiedererkannt, so verändert war er, nervös, mürrisch, freudlos. Früher war er ein netter Kerl gewesen, konnte sehr hübsch singen und hatte über alles seine ganz besonderen Gedanken. Für alles das hat er plötzlich keine Zeit mehr. Der Mann ist nur noch sein eigenes Gespenst, er ist überhaupt nicht mehr Fusi, versteht ihr? Wenn er's nur allein wäre, dann würde ich einfach denken, daß er ein bißchen verrückt geworden ist. Aber wo man hinschaut, sieht man solche Leute. Und es werden immer mehr. Jetzt fangen sogar unsere alten Freunde auch damit an! Ich frage mich wirklich, ob es Verrücktheit gibt, die ansteckend ist?“
Der alte Beppo nickte. „Bestimmt“, sagte er, „es muß eine Art Ansteckung sein.“
„Aber dann“, meinte Momo ganz bestürzt, „müssen wir unseren Freunden doch helfen!“
An diesem Abend berieten sie alle gemeinsam noch lang, was sie tun könnten. Aber von den grauen Herren und deren rastloser Tätigkeit ahnten sie nichts.
Während der nächsten Tage machte Momo sich auf die Suche nach ihren alten Freunden, um von ihnen zu erfahren, was los war und warum sie nicht mehr zu ihr kamen.
Zuerst ging sie zu Nicola, dem Maurer. Sie kannte das Haus gut, wo er oben unter dem Dach ein kleines Zimmer bewohnte. Aber er war nicht da. Die anderen Leute im Haus wußten nur, daß er jetzt drüben in den großen Neubauvierteln auf der anderen Seite der Stadt arbeite und eine Menge Geld verdiene. Er käme jetzt nur noch selten nach Hause und wenn, dann meistens sehr spät. Er sei jetzt auch oft nicht mehr ganz nüchtern, und man könne überhaupt nicht mehr gut mit ihm auskommen.
Momo beschloß, auf ihn zu warten. Sie setzte sich vor seine Zimmertür auf die Treppe. Es wurde langsam dunkel, und sie schlief ein. Es mußte schon spät in der Nacht sein, als sie durch polternde Schritte und rauhen Gesang geweckt wurde. Es war Nicola, der die Treppe heraufschwankte. Als er das Kind sah, blieb er verdutzt stehen. „He, Momo!“ brummte er, und es bereitete ihm sichtlich Verlegenheit, daß sie ihn so sah, „gibt's dich auch noch! Was suchst du denn hier?“
„Dich“, antwortete Momo schüchtern.
„Na, du bist mir vielleicht eine!“ sagte Nicola und schüttelte lächelnd den Kopf. „Kommt hier mitten in der Nacht her, um nach ihrem alten Freund Nicola zu sehen. Ja, ich hätte dich ja auch schon längst mal wieder besucht, aber ich hab' einfach keine Zeit mehr für solche… Privatsachen.“
Er machte eine fahrige Bewegung mit der Hand und setzte sich schwer neben Momo auf die Treppe.
„Was meinst du, was bei mir jetzt los ist, Kind! Das ist nicht mehr wie früher. Die Zeiten ändern sich. Da drüben, wo ich jetzt bin, da wird ein anderes Tempo vorgelegt. Das geht wie der Teufel. Jeden Tag hauen wir ein ganzes Stockwerk drauf, eins nach dem anderen. Ja, das ist eine andere Sache als früher! Da ist alles organisiert, jeder Handgriff, verstehst du, bis ins letzte hinein…“
Er redete weiter, und Momo hörte ihm aufmerksam zu. Und je länger sie das tat, desto weniger begeistert klang seine Rede. Plötzlich hielt er inne und wischte sich mit seinen

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