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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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frösteln.
Jetzt öffnete der Mann die Wagentür, stieg aus und kam auf Momo zu. In der Hand trug er eine bleigraue Aktentasche. „Was für eine schöne Puppe du hast!“ sagte er mit eigentümlich tonloser Stimme. „Darum können dich alle deine Spielkameraden beneiden.“
Momo zuckte nur die Schultern und schwieg. „Die war bestimmt sehr teuer?“ fuhr der graue Herr fort.
„Ich weiß nicht“, murmelte Momo verlegen, „ich hab' sie gefunden.“
„Was du nicht sagst!“ erwiderte der graue Herr. „Du bist ja ein richtiger Glückspilz, scheint mir.“
Momo schwieg wieder und zog sich ihre viel zu große Männerjacke enger um den Leib. Die Kälte nahm zu.
„Ich habe allerdings nicht den Eindruck“, meinte der graue Herr mit dünnem Lächeln, „als ob du dich so besonders freust, meine Kleine.“ Momo schüttelte ein wenig den Kopf. Es war ihr plötzlich, als sei alle Freude für immer aus der Welt verschwunden – nein, als habe es überhaupt niemals so etwas gegeben. Und alles was sie dafür gehalten hatte, war nichts als Einbildung gewesen. Aber gleichzeitig fühlte sie etwas, das sie warnte.
„Ich habe dich schon seit einer ganzen Weile beobachtet“, fuhr der graue Herr fort, „und mir scheint, du weißt überhaupt nicht, wie man mit einer so fabelhaften Puppe spielen muß. Soll ich es dir zeigen?“
Momo blickte den Mann überrascht an und nickte. „Ich will noch mehr Sachen haben“, quäkte die Puppe plötzlich.
„Na, siehst du, Kleine“, meinte der graue Herr, „sie sagt es dir sogar selbst. Mit einer so fabelhaften Puppe kann man nicht spielen wie mit irgendeiner anderen, das ist doch klar. Dazu ist sie auch nicht da. Man muß ihr schon etwas bieten, wenn man sich nicht mit ihr langweilen will. Paß mal auf, Kleine!“
Er ging zu seinem Auto und öffnete den Kofferraum. „Zuerst einmal“, sagte er, „braucht sie viele Kleider. Hier ist zum Beispiel ein entzückendes Abendkleid.“ Er zog es hervor und warf es Momo zu.
„Und hier ist ein Pelzmantel aus echtem Nerz. Und hier ist ein seidener Schlafrock. Und hier ein Tennisdreß. Und ein Skianzug. Und ein Badekostüm. Und ein Reitanzug. Ein Pyjama. Ein Nachthemd. Ein anderes Kleid. Und noch eins. Und noch eins. Und noch eins…“ Er warf alle die Sachen zwischen Momo und die Puppe, wo sie sich langsam zum Haufen türmten.
„So“, sagte er und lächelte wieder dünn, „damit kannst du erst einmal eine Weile spielen, nicht wahr, Kleine? Aber das wird nach ein paar Tagen auch langweilig, meinst du? Nun gut, dann mußt du eben mehr Sachen für deine Puppe haben.“
Wieder beugte er sich über den Kofferraum und warf Sachen zu Momo herüber.
„Hier ist zum Beispiel eine richtige kleine Handtasche aus Schlangenleder, mit einem echten kleinen Lippenstift und einem Puderdöschen drin. Hier ist ein kleiner Fotoapparat. Hier ein Tennisschläger. Hier ein Puppenfernseher, der echt funktioniert. Hier ein Armband, eine Halskette, Ohrringe, ein Puppenrevolver, Seidenstrümpfchen, ein Federhut, ein Strohhut, ein Frühjahrshütchen, Golfschlägerchen, ein kleines Scheckbuch, Parfümfläschchen, Badesalz, Körperspray…“ Er machte eine Pause und blickte Momo prüfend an, die wie gelähmt zwischen all den Sachen am Boden saß.
„Du siehst“, fuhr der graue Herr fort, „es ist ganz einfach. Man muß nur immer mehr und mehr haben, dann langweilt man sich niemals. Aber vielleicht denkst du, daß die vollkommene Bibigirl eines Tages alles haben wird und daß es dann eben doch wieder langweilig werden könnte. Nein, meine Kleine, keine Sorge! Da haben wir nämlich einen passenden Gefährten für Bibigirl.“
Und nun zog er aus dem Kofferraum eine andere Puppe hervor. Sie war ebensogroß wie Bibigirl, ebenso vollkommen, nur daß es ein junger Mann war. Der graue Herr setzte ihn neben Bibigirl, die vollkommene, und erklärte: „Das ist Bubiboy! Für ihn gibt es auch wieder eine unendliche Menge Zubehör. Und wenn das alles, alles langweilig geworden ist, dann gibt es noch eine Freundin von Bibigirl, und sie hat eine ganze eigene Ausstattung, die nur ihr paßt. Und zu Bubiboy gibt es noch einen dazupassenden Freund, und der hat wieder Freunde und Freundinnen. Du siehst also, es braucht nie wieder Langeweile zu geben, denn die Sache ist endlos fortzusetzen, und es bleibt immer noch etwas, das du dir wünschen kannst.“
Während er redete, holte er eine Puppe nach der anderen aus dem Kofferraum seines Wagens, dessen Inhalt unerschöpflich schien, und

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