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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Amphitheaters.“
„Gut“, versetzte der Richter, der alles in sein kleines Notizbüchlein geschrieben hatte, „Sie können versichert sein, Angeklagter, daß dieses Kind uns nicht noch einmal schaden wird. Dafür werden wir mit allen Mitteln sorgen. Mag Ihnen das zum Trost gereichen, wenn wir nun unverzüglich zur Vollstreckung des Urteils schreiten.“ Der Angeklagte begann zu zittern.
„Und wie lautet das Urteil?“ flüsterte er.
Die drei Herren hinter dem Richtertisch beugten sich zueinander, flüsterten sich etwas zu und nickten.
Dann wandte sich der in der Mitte wieder dem Angeklagten zu und verkündete: „Das Urteil über Agent BLW/553/c lautet einstimmig: Der Angeklagte wird des Hochverrats für schuldig befunden. Er hat seine Schuld selbst eingestanden. Unser Gesetz schreibt vor, daß ihm zur Strafe unverzüglich jegliche Zeit entzogen wird.“
„Gnade! Gnade!“ schrie der Angeklagte auf. Aber schon hatten ihm zwei andere graue Herren, die neben ihm standen, die bleigraue Aktentasche und die kleine Zigarre entrissen.
Und nun geschah etwas Sonderbares. Im selben Augenblick, wo der Verurteilte die Zigarre nicht mehr hatte, begann er rasch immer durchsichtiger und durchsichtiger zu werden. Auch sein Geschrei wurde dünner und leiser.
So stand er da, hielt sich die Hände vors Gesicht und löste sich buchstäblich in Nichts auf.
Ganz zuletzt war es, als ob der Wind noch ein paar Aschenflöckchen im Kreis herumwirbelte, dann waren auch diese verschwunden. Schweigend entfernten sich alle grauen Herren, die zugesehen und die zu Gericht gesessen hatten. Die Dunkelheit verschlang sie, und nur noch der graue Wind wehte über die öde Halde. Beppo Straßenkehrer saß noch immer reglos auf seinem Platz und starrte auf die Stelle, wo der Angeklagte verschwunden war. Ihm war, als sei er zu Eis gefroren und taue nun langsam wieder auf. Jetzt wußte er aus eigener Anschauung, daß es die grauen Herren gab.
Etwa zur gleichen Stunde – die Turmuhr in der Ferne hatte Mitternacht geschlagen – saß die kleine Momo noch immer auf den Steinstufen der Ruine. Sie wartete. Sie hätte nicht sagen können, worauf. Aber irgendwie war ihr, als ob sie noch warten solle. Und so hatte sie sich bis jetzt noch nicht entschließen können, schlafen zu gehen. Plötzlich fühlte sie, wie etwas sie leise an ihrem nackten Fuß berührte. Sie beugte sich hinunter, denn es war ja sehr dunkel, und erkannte eine große Schildkröte, die ihr mit erhobenem Kopf und seltsam lächelndem Mund mitten ins Gesicht blickte. Ihre schwarzen klugen Augen glänzten so freundlich, als ob sie gleich zu sprechen anfangen wollte. Momo beugte sich vollends zu ihr hinunter und krabbelte sie mit dem Finger unter dem Kinn.
„Ja, wer bist du denn?“ fragte sie leise. „Nett von dir, daß wenigstens du mich besuchen kommst, Schildkröte. Was willst du denn von mir?“ Momo wußte nicht, ob sie es zuerst nur nicht wahrgenommen hatte, oder ob es tatsächlich in diesem Augenblick erst sichtbar wurde, jedenfalls bildeten sich nun plötzlich auf dem Rückenpanzer der Schildkröte schwach leuchtende Buchstaben, die sich aus den Mustern der Hornplatten zu formen schienen.
„KOMM MIT!“ entzifferte Momo langsam. Erstaunt setzte sie sich auf. „Meinst du mich?“
Aber die Schildkröte hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Nach einigen Schritten hielt sie inne und schaute sich nach dem Kind um. „Sie meint wirklich mich!“ sagte Momo zu sich selbst. Dann stand sie auf und eine hinter dem Tier her.
„Geh nur!“ sagte sie leise. „Ich folge dir.“
Und Schrittchen für Schrittchen ging sie hinter der Schildkröte her, die sie langsam, sehr langsam aus dem steinernen Rund herausführte und dann die Richtung auf die große Stadt einschlug.

ZEHNTES KAPITEL:  Eine wilde Verfolgung und eine geruhsame Flucht

Der alte Beppo radelte auf seinem quietschenden Fahrrad durch die Nacht. Er eilte sich, so sehr er konnte. Immer wieder klangen ihm die Worte des grauen Richters im Ohr: „… Wir werden uns dieses merkwürdigen Kindes annehmen… Sie können versichert sein, Angeklagter, daß es uns nicht noch einmal schaden wird… dafür werden wir mit allen Mitteln sorgen…“
Kein Zweifel, Momo war in größter Gefahr! Er mußte sofort zu ihr, mußte sie vor den Grauen warnen, mußte sie vor ihnen beschützen - obwohl er nicht wußte wie. Aber das würde er schon herausfinden. Beppo trat in die Pedale. Sein weißer Haarschopf flatterte. Der Weg bis zum Amphitheater war

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