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Momo

Momo

Titel: Momo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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sechs Tagen, acht Stunden, zweiunddreißig Minuten und – in diesem Augenblick genau – achtzehn Sekunden.“
Obwohl diese Unterhaltung leise geführt wurde und überdies weit entfernt stattfand, konnte der alte Beppo seltsamerweise jedes Wort verstehen.
„Ist Ihnen bekannt“, fuhr der Herr in der Mitte mit seiner Befragung fort, „daß es eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kindern in dieser Stadt gibt, die heute überall Tafeln und Plakate herumgetragen haben und die sogar den ungeheuerlichen Plan hatten, die ganze Stadt zu sich einzuladen, um sie über uns aufzuklären?“
„Es ist mir bekannt“, antwortete der Agent.
„Wie erklären Sie sich“, fragte der Richter unerbittlich weiter, „daß diese Kinder überhaupt über uns und unsere Tätigkeit Bescheid wissen?“
„Ich kann es mir auch nicht erklären“, gab der Agent zur Antwort. „Aber wenn ich mir hierzu eine Bemerkung erlauben darf, so möchte ich dem Hohen Gericht nahelegen, diese ganze Angelegenheit doch nicht ernster zu nehmen, als sie ist. Eine hilflose Kinderei, nicht mehr! Und außerdem bitte ich das Gericht, zu bedenken, daß es uns ganz mühelos gelungen ist, die geplante Versammlung zu vereiteln, indem wir den Leuten einfach keine Zeit dazu ließen. Aber selbst wenn uns das nicht gelungen wäre, ich bin sicher, die Kinder hatten den Leuten nichts als irgendeine kindliche Räubergeschichte mitzuteilen gewußt. Nach meiner Ansicht hätten wir die Versammlung sogar stattfinden lassen sollen, um dadurch…“
„Angeklagter!“ unterbrach ihn der Herr in der Mitte scharf. „Ist Ihnen bewußt, wo Sie sich befinden?“
Der Agent knickte ein wenig zusammen. „Jawohl“, hauchte er.
„Sie befinden sich“, fuhr der Richter fort, „nicht vor einem Menschengericht, sondern vor Ihresgleichen. Sie wissen genau, daß Sie uns nicht anlügen können. Warum versuchen Sie es trotzdem?“
„Es ist – Berufsgewohnheit“, stammelte der Angeklagte.
„Wie ernst oder nicht das Unternehmen der Kinder zu nehmen ist“, sagte der Richter, „das überlassen Sie gefälligst dem Urteil des Vorstandes. Aber auch Sie selbst, Angeklagter, wissen sehr gut, daß nichts und niemand unserer Arbeit so gefährlich ist wie gerade die Kinder.“
„Ich weiß es“, gab der Angeklagte kleinlaut zu.
„Kinder“, erklärte der Richter, „sind unsere natürlichen Feinde. Wenn es sie nicht gäbe, so wäre die Menschheit längst ganz in unserer Gewalt. Kinder lassen sich sehr viel schwerer zum Zeit-Sparen bringen als alle anderen Menschen. Daher lautet eines unserer strengsten Gesetze: Kinder kommen erst zuletzt an die Reihe. Ist Ihnen dies Gesetz bekannt gewesen, Angeklagter?“
„Sehr wohl, Hohes Gericht“, keuchte der.
„Dennoch haben wir untrügliche Beweise dafür“, versetzte der Richter, „daß einer von uns, ich wiederhole, einer von uns mit einem Kind gesprochen und ihm obendrein noch die Wahrheit über uns verraten haben muß. Angeklagter, wissen Sie vielleicht, wer dieser eine von uns war?“
„Ich war es“, antwortete der Agent BLW/553/c zerschmettert.
„Und warum haben Sie somit gegen unser strengstes Gesetz verstoßen?“ forschte der Richter.
„Weil dieses Kind“, verteidigte sich der Angeklagte, „in seiner Wirkung auf andere Menschen unserer Arbeit ungemein im Wege ist. Ich habe in der besten Absicht für die Zeit-Spar-Kasse gehandelt.“
„Ihre Absichten interessieren uns nicht“, gab der Richter eisig zurück. „Uns interessiert ausschließlich das Ergebnis. Und das Ergebnis in Ihrem Fall, Angeklagter, war nicht nur keinerlei Zeitgewinn für uns, sondern obendrein haben Sie diesem Kind auch noch einige unserer wichtigsten Geheimnisse verraten. Gestehen Sie das ein, Angeklagter?“
„Ich gestehe es ein“, hauchte der Agent mit gesenktem Kopf.
„Sie bekennen sich also schuldig?“
„Jawohl, aber ich bitte das Hohe Gericht, doch auch den mildernden Umstand anzuerkennen, daß ich regelrecht verhext worden bin. Durch die Art, wie dieses Kind mir zuhörte, lockte es alles aus mir heraus. Ich kann es mir selbst nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, aber ich schwöre, es war so.“
„Ihre Entschuldigungen interessieren uns nicht. Mildernde Umstände lassen wir nicht gelten. Unser Gesetz ist unverbrüchlich und duldet keinerlei Ausnahme. Immerhin werden wir uns dieses merkwürdigen Kindes ein wenig annehmen. Wie heißt es?“
„Momo.“
„Knabe oder Mädchen?“
„Ein kleines Mädchen.“
„Wohnhaft?“
„In der Ruine des

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